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Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtanwendung der TSI-Vorgaben bei Regionalnetzen

Wie die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Rödl & Partner berichtet, verklagt die EU-Kommission Deutschland vor dem EuGH wegen nicht hinreichender Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für Sicherheit und Interoperabilität bei den Regionalnetzen. 

Am 02.12.2021 hat die EU-Kommission beschlossen, Deutschland vor dem EuGH zu verklagen. Grund dafür ist die von der Kommission angenommene Nicht-Umsetzung der, inzwischen historischen, Richtlinien 2004/49/EG und 2008/57/EG in nationales Recht. In diesen Richtlinien wurden umfangreiche Vorgaben für EU-weit einheitliche Sicherheits- und sonstige Interoperabilitätsregelungen festgelegt. Deutschland hat wesentliche Vorgaben in sein Eisenbahnrecht übernommen, jedoch explizit sogenannte Regionalnetze von der Anwendung ausgenommen. Wie die Kommission festgestellt hat, sollte es damit bei ca. 16 Prozent des deutschen Eisenbahnnetzes nicht zur Anwendung der europäischen Vorschriften kommen.

Begründet wurde dies von Deutschland mit einem ausschließlich regionalen Bezug der Verkehre auf diesen Netzen, europaweite Verkehre seien davon nicht betroffen gewesen. Die Kommission hält die Begründung der deutschen Regierung für nicht stichhaltig. Zwar gebe es Ausnahmevorschriften von der Vorgabe verpflichtender Vereinheitlichung von Normen und Verfahren sowie Sicherheit und Interoperabilität. Diese bezögen sich aber nicht auf die Art und Weise des – gegenwärtigen – Betriebs, sondern auf objektiv feststellbare Besonderheiten, wie z.B. eine geografisch bedingte Abtrennung eines bestimmten Netzes vom weiteren europäischen Eisenbahnnetz, etwa im Fall von Inselnetzen ohne Eisenbahnfähranbindung an den Rest des europäischen Schienennetzes.

Das Verfahren ist seit 2016 virulent. Da der mehrere Jahre andauernde Schriftwechsel zwischen Brüssel und Berlin aus Sicht der Kommission kein befriedigendes Ergebnis zeigte, sah sie sich schließlich gezwungen, die nächste, formale Eskalationsstufe anzuwenden und den EuGH anzurufen. Zwar sind die vorgenannten Richtlinien inzwischen durch neueres Regelwerk ersetzt. Da die strittigen Vorschriften aber in die neue Richtlinie (EU) 2016/797 mit Wirkung zum 30.10.2021 übernommen wurden, hält die Kommission ein Eingreifen aus Luxemburg für gerechtfertigt.

Bewertung für die Praxis: Die Regionalnetze und Ihr Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht waren ein „Dauerbrenner” im Verhältnis zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission im Bereich der Eisenbahnen in den letzten Jahren. Das nunmehr der EuGH angerufen wird zeigt, dass die Kommission eisenbahnrechtlich am Ende ihrer Geduld ist. Der neue Bundesverkehrsminister sollte dies zum Anlass nehmen, hier beherzt der Kommission eine schnelle Lösung anzubieten und den Streit zu beenden.

Quelle: Rödl & Partner

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