Assistenzsystem soll öffentlichen Nahverkehr attraktiver machen

An der Universität Kassel wurde der Auftakt für die Entwicklung eines Assistenzsystems für den öffentlichen Nahverkehr gegeben und ein Mobilitäts- und Simulationslabor vorgestellt. Ein Forschungskonsortium entwickelt und erprobt in den kommenden vier Jahren ein digitales System, das unter anderem Informationen über den Belegungszustand von Bussen und Straßenbahnen bereitstellen, die Anschlusssicherheit beim Umsteigen verbessern und mit einem Lieferdienst die separate Beförderung von Einkäufen und Gepäck ermöglichen soll.
Wer kennt das nicht: Mit schweren Einkäufen von der Straßenbahn zur Bushaltestelle hetzen, aber der Anschlussbus ist gerade weg, der nächste Bus überfüllt. Damit die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs kundenfreundlicher wird, arbeiten die Partner in dem Projekt U-hoch-3 ("Unbeschwert urban unterwegs") an einem informationstechnischen Assistenzsystem zum Abbau von Nutzungsbarrieren. "Wir haben ein Assistenzsystem konzipiert, das Fahrgäste bedarfsgerecht entlang ihrer Reisekette unterstützt. Zusätzlich zur intermodalen Reiseplanung bietet es einen innovativen innerstädtischen Lieferdienst, der mit Gepäckabgabe, Transport und Zustellung die gesamte Lieferkette abdeckt und damit das Einkaufen ohne Auto erleichtert", so Koordinator Prof. Dr.-Ing. Ludger Schmidt. "Statt Kleintransportern sollen dabei auch Lastenräder zum Einsatz kommen. Wenn außerdem öffentliche Verkehrsmittel attraktiver werden und dadurch Autofahrer auf Bus und Bahn umsteigen, reduziert dies zusätzlich die Schadstoff- und CO2-Emissionen in der Stadt und verbessert die Lebensqualität im urbanen Raum. Zwei Drittel der zurückgelegten Wege in Städten entfallen auf Freizeitaktivitäten, Einkauf und private Erledigungen."
Getestet werden zunächst prototypisch entwickelte Komponenten des Assistenzsystems im Labor des Fachgebiets Mensch-Maschine-Systemtechnik mit Hilfe einer CAVE, also einer Simulationsumgebung, die mit drei Projektionsleinwänden einen Ort wie eine Haltestelle oder einen Bahnhof virtuell nachbildet. Dort kann u. a. ein Straßenbahnsimulator platziert werden und sich ein Fußgänger auf einem Laufeingabegerät bewegen. Darüber hinaus soll auch eine Verkehrsleitstelle aufgebaut und der Einsatz von Lieferrobotern untersucht werden.
Gemeinsam mit den Projektpartnern wird das System dann realisiert. In einem einjährigen Feldtest in Kassel wird praktisch erprobt und wissenschaftlich evaluiert, wie der Belegungszustand von öffentlichen Verkehrsmitteln erfasst und in Echtzeit bereitgestellt werden kann. Ziel ist es, Fahrgästen zu ermöglichen, in ihrer Reiseplanung flexibel auf den Belegungszustand reagieren zu können. Zudem wird ein Konzept zur Anschlusssicherung erprobt. Dabei soll der Kunde seinen Anschlusswunsch signalisieren können, so dass Verkehrsdienstleister den Anschluss sicherstellen und verlässliche Informationen dazu bereitstellen können.
Nach einer ersten Konzeptentwicklungsphase, an der auch schon das Fachgebiet Verkehrsplanung und Verkehrssysteme von Prof. Dr.-Ing. Carsten Sommer beteiligt war, und einem mehrstufigen Auswahlprozess im Rahmen des Förderschwerpunktes "Individuelle und adaptive Technologien für eine vernetzte Mobilität" des BMBF-Forschungsprogramms zur Mensch-Technik-Interaktion wurde nun auch die zweite Förderphase zur Umsetzung des Projektes bewilligt.
Das Projekt hat insgesamt eine Laufzeit von fünf Jahren und ein Volumen von gut 6,6 Mio. Euro. Prof. Dr. Arno Ehresmann, Vizepräsident Forschung der Universität Kassel: "Der positive Bescheid für die zweite Förderphase belegt eindrücklich die Qualität der bislang geleisteten wissenschaftlichen Arbeit. Wir freuen uns sehr, dass mit dem Projekt ein innovatives Labor für öffentliche Mobilität und urbane Logistik in Kassel entsteht, mit dem zahlreiche Projektpartner überregional vernetzt werden und für das die Universität mit gut 2,4 Mio. Euro gefördert wird."
Quelle: Uni Kassel

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