„Wir fühlen uns den Klimazielen verpflichtet“

Interview mit Rudi Kuchta, Head of Business Unit Bus bei MAN Truck & Bus

Nahverkehrs-praxis: Herr Kuchta, der Antrieb von Bussen wird absehbar vollkommen elektrisch sein. Können sie uns sagen, wohin die Reise bei MAN Truck & Bus geht und wie dabei voraussichtlich die Zeitschiene aussieht?

Kuchta: MAN ist klar auf den batterieelektrischen Antrieb ausgerichtet, um die Dekarbonisierung, insbesondere im urbanen Raum, noch effizienter voranzutreiben. Dies geschieht gleichermaßen aus ökologischen und ökonomischen Gründen. 2020 haben wir unsere 12-Meter und 2021 unsere 18-Meter Stadtbusse der Generation „Lion’s City E“ als Serienprodukt in den Markt gebracht und werden in den kommenden Jahren deren Reichweite, Batterielebensdauer und TCO-Werte mit weiteren Effizienzpaketen weiter verbessern. Wir erreichen dann unter realistischen Einsatzbedingungen mehr als 400 Kilometer und haben damit den 100-prozentigen elektrischen Weg erreicht, dies gilt dann auch für lange städtische Umläufe. Wir glauben, dass der E-Antrieb im Stadtbussegment in Europa zukünftig den Markt dominieren wird. Außerhalb von Europa bieten wir ab 2023 ein eBus-Chassis für den vollelektrischen und umweltfreundlichen Einsatz im Weltmarkt an.
Je nach weiterer Marktentwicklung werden wir auch mit der Elektrifizierung der Überland- und Reisebusse folgen, und je nach technologischem Fortschritt und der weiteren Entwicklung hinsichtlich Verfügbarkeit und Kosten der jeweiligen Energieträger sowie der Ladeinfrastruktur werden wir entscheiden, ob neben der reinen Elektromobilität auch wasserstoffbasierte Antriebe mit Brennstoffzellen-Technologie in Frage kommen. Dies gilt aber eher für den Fernverkehr bzw. für Reise- und Überlandbusse. In der urbanen Mobilität ist die Zukunft batterieelektrisch.

Nahverkehrs-praxis: Bund und Länder setzen auf „grünen“ Wasserstoff und verfolgen jeweils eine klare Wasserstoffstrategie. Diese zielt primär offenbar auf die Industrie, aber auch auf den Antrieb von Fahrzeugen. Allein die Industrie braucht für die Dekarbonisierung Unmengen von Wasserstoff. Da bleibt voraussichtlich nicht mehr viel Wasserstoff für Fahrzeuge übrig, so Prof. Dr. Schrödl von der TU Wien. Wenn dies so ist, was heißt das mittel- bis längerfristig für wasserstoffbasierte Antriebe von Nutzfahrzeugen und Bussen?  Dabei bleibt die Frage: Welcher Antrieb hat die besten Aussichten auf nachhaltigen Erfolg? Batterie oder Wasserstoff, oder beides oder eine Mischform?

Kuchta: Zum Antrieb mit Wasserstoff bzw. Brennstoffzelle lässt sich in Stichworten folgendes sagen: Noch lange Zeit nicht wirtschaftlich, zu teuer, hoher Energieeinsatz und schwer umsetzbar mit grünem Wasserstoff – der batterieelektrische Stadtbus ist zumindest für den Stadtverkehr effizienter und damit wirtschaftlicher.
Die Erzeugung von grünem Wasserstoff durch Strom (Elektrolyse) sowie dessen Rückwandlung in Strom für die elektrischen Antriebsmotoren durch die Brennstoffzelle bedeutet insgesamt einen erheblich schlechteren Wirkungsgrad als bei reinen Batterieantrieben. So landen beim Batteriebetrieb etwa zwei Drittel des Stroms wirklich auf der Straße und bei Wasserstoff nur etwa ein Drittel. Und dass nur regenerativ erzeugter Strom für diesen grünen Wasserstoff Verwendung finden darf, versteht sich von selbst. Eine Brennstoffzelle wird aktuell mit 4-5 Jahren Lebensdauer angesetzt, unsere MAN-Batterien mit bis zu 12 oder sogar mehr Jahren. Da Brennstoffzellen wohl noch längere Zeit eher in kleinen Stückzahlen produziert werden, spielt auch der Skaleneffekt beim Preis eine ungünstige Rolle.
Allein diese wenigen Gegenüberstellungen zeigen, dass der wasserstoff-basierte Antrieb zumindest für Stadtbusse erheblich unwirtschaftlicher ist als ein batteriebasierter Antrieb.  Für den Fernverkehr kann dies wie gesagt aber künftig auch anders aussehen.  

Nahverkehrs-praxis: Für Stadtbusse hat sich der batterieelektrische Antrieb dagegen klar durchgesetzt und wird zwischenzeitlich in Serie eingesetzt. Dies gilt ebenso für ihren Stadtbus „MAN Lion’s City E“. Sagen sie uns bitte in Stichworten, was diese Fahrzeuggeneration auszeichnet?

Kuchta: Wir haben unsere neue Stadtbusgeneration „Lion’s City“ 2018 in den Markt eingeführt und 2019 durch den „Lion’s City E“ elektrifiziert – seit 2020 produzieren wir den MAN eBus in Serie. Mit unserer verlässlichen und im VW-Standard entwickelten Batterietechnologie erreichen wir im Einsatz hervorragende Reichweiten und haben bei unseren Kunden mit modernem Design und prämiertem Erscheinungsbild eine hohe Akzeptanz. Über unseren Bereich MAN Transport Solution bieten wir unseren Kunden eine 360-Grad-Beratung mit einem Gesamtkonzept bzgl. Ladeinfrastruktur, Depotmanagement sowie ein effizientes Lademanagement mit Digitalen Lösungen wie dem eManager. Das Ganze runden wir ab durch ein Servicekonzept, das auf E-Mobilität ausgerichtet ist. Servicepersonal und Fahrer profitieren zudem von gezielten Schulungen. So sind wir mit unseren batterieelektrischen Bussen für die Zukunft sehr gut aufgestellt.

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Münster wird grün

Interview mit Frank Gäfgen, seit 2019 Geschäftsführer Bereich Mobilität der Stadtwerke Münster, über die Erfahrungen mit Elektro- und Wasserstoffbussen in der Stadt

Nahverkehrs-praxis: Herr Gäfgen, wie sehen Ihre Planungen für die Elektrifizierung von Münsters Busflotte aus?

Gäfgen: Wir haben als Konzern Stadtwerke Münster das Motto „Wir machen Münster grün“ entwickelt. Teil dieses Konzeptes ist neben Stromerzeugung und Wärmenetzen auch die Mobilität, und das bedeutet den Ausbau der Elektromobilität im ÖPNV mit Elektrobussen. Münster hat schon früh, 2015, damit begonnen. Zu der Zeit wurden Busse mit ca. 50 km Reichweite angeboten. Dafür war der Bau von Ladestationen im Liniennetz zwingend notwendig. Seitdem wird in Münster der Ansatz konsequent weiterverfolgt, die Ladeinfrastruktur an den Endhaltestellen in den Außenstadtteilen auszubauen. Es hat sich gezeigt, dass die Verknüpfung von Depotladung mit Opportunity Charging den kompletten Linienbetrieb aufrechterhalten kann.
Bisher sind sechs Ladepunkte mit 350 KW Leistung auf der Strecke im Einsatz, an denen die Elektrobusse bei Bedarf geladen werden können. Im Depot haben wir aktuell 40 Lader und werden dieses Jahr noch einmal 36 weitere errichten. Damit ist dann nicht nur die Planung für Ladestationen im Depot abgeschlossen, sondern der gesamte Betriebshof ist fertig erschlossen. Wir haben dort zwei redundante Mittelspannungsstationen mit 6 Megawatt aufgebaut, und das ist für unseren Bedarf ausreichend. Weil wir auf der Strecke laden, kommen wir gar nicht in die Verlegenheit, dass die Busse zwischendurch auf das Betriebsgelände kommen müssen, um nachgeladen zu werden. Mit einer durchdachten Ladestrategie und Ladesäulen, die über das Stadtgebiet verteilt sind, ist es nicht notwendig Busse groß im Depot zu laden. So verteilt sich die Energiebelastung über das ganze Netz der Stadt. Selbst die Fahrzeuge, die spät in der Nacht auf das Betriebsgelände kommen, müssen nicht vollgeladen werden für den Einsatz am kommenden Tag, wenn sie Streckenlader zur Verfügung haben. Das bedeutet faktisch, dass wir keine klassische Depotladung haben.
Dafür müssen aber mehrere Voraussetzungen gegeben sein. Zum einen benötigt man die passenden finanziellen Mittel, weil Laden auf der Strecke teurer ist als im Depot. Diese großzügige Förderung – etwa 90 % der Gesamtkosten – haben wir hier in Nordrhein-Westfalen. Zum anderen ist der Netzbetreiber, die Stadtnetze Münster, als Tochtergesellschaft unseres Konzerns in der Lage, uns alle nötige Unterstützung, z. B. was Anschlussfragen betrifft, zu liefern. Das kann innerhalb des Konzerns sehr schnell geklärt werden. Und die Stadt Münster hat erkannt, dass es ein sehr gutes und funktionierendes System ist. Demzufolge werden die Standorte, die wir für die Schnelllader ausgewählt haben, auch von der Stadt bereitgestellt.

Nahverkehrs-praxis: Die Leistung der Batterien wird immer größer. Müssen Sie zum Beispiel auf kürzeren Linien überhaupt noch zwischendurch laden?

Gäfgen: Auf kurzen Strecken müssen wir zukünftig bei Batteriekapazitäten von 500 bis 600 Kilowattstunden nicht mehr zwingend zwischenladen. Das bedeutet, wir können die Fahrzeuge noch flexibler einsetzen, beispielsweise bei Umleitungen. Und wir können unser Lademanagement entsprechend anpassen. Wenn wir Fahrzeuge mit einer großen Batterie haben, mit der Möglichkeit sie auf der Strecke nachzuladen, ist es nicht nur netzdienlich, sondern womöglich auch betriebswirtschaftlich günstiger auf der Strecke zwischenzuladen, bevor die Busse in den Betriebshof gehen.  Denn wenn die Fahrzeuge abends im Depot geladen werden, wenn gleichzeitig viele Menschen von der Arbeit nach Hause kommen, Herd, Waschmaschine und Fernseher einschalten, dann ist der Strom besonders teuer. Zudem wird auch nicht für jeden Elektrobus ein einzelner Lader im Depot benötigt. Wir werden deshalb nur für Zweidrittel unserer Busflotte Ladestationen bauen. So funktioniert das E-Bussystem als Gesamtkonzept in Münster. Natürlich muss jede Stadt für sich überprüfen, welches Konzept für sie am besten passt.

Nahverkehrs-praxis: Gibt es noch die speziellen Winterprobleme, die zu Beginn des Elektrobuseinsatzes so große Probleme bezüglich der Batteriekapazität brachten?

Gäfgen: Die Busse gehen im Winter zwar warm vom Betriebshof, aber der Energieverbrauch ist in dieser Jahreszeit natürlich höher. Man muss dann planen, welche Fahrzeuge mit welchen Reichweiten wo eingesetzt werden müssen, um an den Endhaltestellen zwischenladen zu können. Das ist aber vor allem bei den älteren Fahrzeugen ein Thema, bei den neuen ist das nicht so entscheidend. Unsere Gelenkbusse haben auch bei Temperaturen bis -5 Grad 200 bis 250 km Reichweite. Im Winter ist dann eher wichtig, dass bei Eis und Schnee die Endhaltestellen geräumt sind, damit die Fahrzeuge die Ladetechnik erreichen können.

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Gelegenheitsladung im Vorteil

Von Oktober 2021 bis April 2022 hat der Verkehrsbetrieb der Stadtwerke Remscheid batteriebetriebene Elektrobusse von acht Herstellern getestet, um für eine zukunftsfähige und nachhaltige Mobilität aufgestellt zu sein. Nahverkehrs-praxis sprach darüber mit Christof Gorski, Abteilungsleiter Werkstatt & innovative Fahrzeugtechnik der Stadtwerke Remscheid GmbH.

Nahverkehrs-praxis: Herr Gorski, in Remscheid sollen die bisher eingesetzten Dieselbusse durch Fahrzeuge mit alternativen Antrieben ersetzt werden. Wie viele Busse haben Sie im Einsatz, und bis wann sollen sie durch neue ersetzt werden?

Gorski: Unser Fuhrpark besteht aktuell aus 54 Standard-Diesel- und 32 Mild-Hybrid-Bussen, welche im Regelfall 16 Jahre eingesetzt werden. In der ersten Ausbaustufe bis 2025 planen wir 21 Batterieelek-trische Busse zu beschaffen. Bis 2030 soll mindestens die Hälfte der Remscheider Busflotte elektrisch angetrieben sein.

Nahverkehrs-praxis: Sie haben sich nach einer Machbarkeitsstudie für den Einsatz von ausschließlich batteriebetriebenen Bussen entschieden. Aus welchen Gründen fiel die Entscheidung so aus?

Gorski: Um das für Remscheid geeignete alternative Antriebskonzept zu ermitteln, wurden im Rahmen eines Technologievergleichs Batterie-, Brennstoffzellen- und Batterieoberleitungs-Busse gegenübergestellt und bewertet. Wir haben bei Batterie-Bussen zwischen Depot- und Gelegenheitslader sowie bei Wasserstoff zwischen Brennstoffzellen- und Brennstoffzellen Range-Extender unterteilt und hinsichtlich technisch-betrieblicher Umsetzbarkeit bewertet.
Im Ergebnis wurde der Batteriebus als das für Remscheid geeignetste Elektrobussystem ermittelt. Die Betriebsstrategien als Depotlader sowie Gelegenheitslader erreichten im Gesamtergebnis die identische Punktzahl. Im Vergleich zu den weiteren untersuchten Technologien liegen die Vorteile des Batteriebusses hauptsächlich im ökologischen Gesamtwirkungsgrad und den Betriebskosten.
Zur Verifizierung der Betriebsstrategie haben wir uns dazu entschlossen, beide Varianten unter Realbedingungen im Linienbetrieb zu simulieren, um Betriebserfahrungen zu sammeln. Auf dieser Basis soll eine fundierte Systementscheidung getroffen werden.

Nahverkehrs-praxis: Wie war die Beschaffenheit der Teststrecken – z.B. Länge, Topographie – gewählt, und welche Voraussetzungen mussten die Testfahrzeuge erfüllen?

Gorski: Unsere Busse fahren keine linienreinen Tagesumläufe, sondern wechseln im Tageseinsatz immer wieder die Linien, und die Fahrer wechseln durchaus auch mal die Fahrzeuge.
Wir haben anhand von vorhandenen Umlaufplänen geeignete Kurse und Standorte für Gelegenheitslader-Ladetechnik identifiziert und uns hier für den Standort Remscheid Lennep-Bahnhof entscheiden.
Es wurden zwei Tages-Umläufe herausgesucht, welche die Remscheider Linien 240, 664, 669 bedienen und die komplette Bandbreite der Remscheider Topologie abdecken. Die Gesamt-Tageslaufleistung betrug hier 195 bis 240 km und wurde im Testbetrieb mit allen Depot- und Gelegenheitslader-Fahrzeugen gefahren.

Nahverkehrs-praxis: Für welche Ladetechniken haben Sie sich entschieden und warum?

Gorski: Neben der aus dem PKW-Bereich üblichen Ladung über CCS-Stecker hat sich bei Stadtbussen die Aufladung über Pantographen etabliert. Ob dieser auf dem Fahrzeugdach oder als invertierter Pantograph am Lademast montiert ist, spielt in meinen Augen keine so große Rolle. Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile.
Für unseren E-Bus Testbetrieb fiel die Wahl auf den Dach-Pantographen, da es sich um das auf dem deutschen Nachverkehrssektor weiter verbreitete System handelt. Wir bekamen darüber hinaus positive Rückmeldungen zur Verfügbarkeit von passenden Test-Bussen mit Dach-Pantographen von Volvo, VDL und Mercedes Evobus.
Über Nacht wurden die Fahrzeuge auf dem Betriebshof mit mobilen Werkstatt-Ladern aufgeladen. Die in Dinslaken ansässige SBRS GmbH unterstützte unseren Testbetrieb mit temporär für 6 Monate errichteter Ladetechnik am Lenneper Bahnhof. Neben einem 150 kW Lademast mit Haube wurde auch eine Nachladung über CCS-Stecker realisiert.

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Umfrage zum Vertrieb der Zukunft

Wie sieht der Vertrieb der Zukunft aus? Wie entwickelt er sich weiter? Werden wir in Zukunft noch Automaten und personenbedienten Verkauf haben? Wird alles digital laufen? Diese und weitere Fragen zum Vertrieb der Zukunft sollen auf dem 14. Deutschen Nahverkehrstag in Koblenz mit der Branche gemeinsam besprochen werden.
Und da sind Sie gefragt! Nehmen Sie an der Umfrage teil und geben Sie Ihre Einschätzung zu verschiedenen Thesen ab. Die Ergebnisse der Umfrage werden dann auf der Veranstaltung vorgestellt und diskutiert, und zwar am Dienstag, 14.06.2022, von 9-10 Uhr.

Quelle: Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität

Link zu weiteren Informationen

ÖPNV ist Säule der Verkehrswende

Interview mit Katrin Eder, Klimaschutzministerin des Landes Rheinland-Pfalz

Nahverkehrs-praxis: Frau Eder, der 14. Deutsche Nahverkehrstag wird dieses Jahr von Ihrem Ministerium veranstaltet, davor immer vom Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau. Aus welchem Grund hat die Zuständigkeit gewechselt, und wie differenzieren Sie zwischen Mobilität und Verkehr – zwei auf den ersten Blick sich überschneidende Bereiche?

Eder: Bus- und Bahnverkehre sind tragende Säulen einer klimafreundlichen Verkehrswende. Dem trägt die neue Struktur Rechnung. Gerade in einem Flächenland, in dem zum Teil weite Entfernungen zurückgelegt werden müssen, bieten der ÖPNV und hier besonders die schienengebundenen Verkehre die Chance, die Menschen zum Umsteigen zu bewegen. 

Nahverkehrs-praxis: Das Motto der Veranstaltung lautet dieses Jahr „Das Klima retten! Der ÖPNV als Schlüsselfaktor?“ Welchen Beitrag müssen die Bundesländer leisten, damit das große Ziel der Verkehrswende erreicht werden kann?

Eder: Die Länder sind gemeinsam mit den Kommunen für die Ausgestaltung des Angebotes vor Ort verantwortlich. Seit 2015 erarbeitet Rheinland-Pfalz mit den Kommunen ÖPNV-Konzepte, um so Angebote in die Fläche zu bringen. Die Länder werden immer stärker eigene Tarife anbieten, auch wir in Rheinland-Pfalz arbeiten daran. Mit einem landesweiten Nahverkehrsplan wird es bei uns ab 2024 erstmals eine landesweit koordinierte Planung für Bus, Bahn und darüber hinaus geben. Insgesamt können die Bundesländer alleine die Verkehrswende nicht stemmen. Hier muss der Bund substanziell finanziell unterstützen.

Das komplette Interview lesen Sie direkt in der Beilage zum 14. Deutschen Nahverkehrstag in Koblenz in der aktuellen Nahverkehrs-praxis 6-2022.

200 neue Smartbikes für VRNnextbike in Kaiserslautern

Die Stadt Kaiserslautern erneuert derzeit gemeinsam mit dem Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) und dem Betreiber nextbike das beliebte Fahrradvermietsystem VRNnextbike. 200 neue Smartbikes rollen seit wenigen Tagen durch Kaiserslautern und stehen an 25 Standorten zur Verfügung. Mit weiteren Standorten wird das System in den kommenden Wochen ausgebaut. Die kommunale Bezuschussung von zwölf Vermietstationen und weitere drei Kooperationen mit der Bau AG, dem Fraunhofer ITWM und der Sparkasse Kaiserslautern bilden derzeit den einen Teil der Grundfinanzierung des Systems. Die Projektkooperationen CAMPUSbike zwischen den Studierenden der Techn. Universität Kaiserslautern, der Hochschule Kaiserlautern und nextbike ermöglichen zahlreiche weitere Stationen und Räder.
Im Laufe des Sommers werden alle Standorte auf den neuen VRNnextbike Look umgestellt. Die neuen Smartbikes mit GPS und elektronischen Rahmenschlössern können weiterhin nur an den offiziellen Verleih-Stationen innerhalb der markierten Abstellbereiche ausgeliehen und abgestellt werden. Mit Google- und Apple-Pay sowie Bezahlen per Mobilfunkrechnung stehen den Kunden ab sofort zusätzlich, neue Payment Optionen zur Verfügung.
Die Registrierung bei VRNnextbike kann einfach über die nextbike-App oder über www.vrnnextbike.de vorgenommen werden. Pro Account können bis zu vier Räder gleichzeitig gemietet werden. Darüber hinaus können die Mieträder 30 Minuten vor Fahrtantritt kostenfrei reserviert werden.
Die VRNnextbike-Erneuerung in Kaiserslautern wird vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr im Rahmen der Förderrichtlinie „Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme“ über die von der VRN GmbH initiierten Projekte gefördert.in ganz Deutschland zu erreichen.

Quelle: Verkehrsverbund Rhein-Neckar GmbH (vrn)

Bahnbranche in NRW verstärkt viele Wochenend- und Feiertagsverkehre

Vom 1. Juni bis zum 31. August 2022 dürfen Fahrgäste den gesamten Nahverkehr deutschlandweit in der 2. Klasse nutzen – und zahlen dafür nur 9 Euro im Monat. Bereits vor dem offiziellen Start wurden nach Erhebungen des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen rund 7 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft, davon mehr als 1,5 Millionen in NRW.
Es ist zu erwarten, dass viele Reisende von ihrem Ticket bereits rund um Pfingsten Gebrauch machen und Fahrten unternehmen, die sonst nicht oder mit anderen Verkehrsmitteln zurückgelegt worden wären. In Nordrhein-Westfalen betrifft das insbesondere die touristischen Regionen, wie etwa das Sauerland, Rheintal, Münsterland oder die Eifel, aber auch Großstädte mit attraktiven Freizeitangeboten wie Köln, Düsseldorf oder Münster. Es wird damit gerechnet, dass die Nahverkehrszüge in NRW gerade an den Wochenenden stark für Transitreisen genutzt werden, um Ziele in ganz Deutschland zu erreichen.
Die drei nordrhein-westfälischen Aufgabenträger Nahverkehr Rheinland (NVR), Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) und Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) setzen zusammen mit dem Verkehrsministerium und den Eisenbahnverkehrsunternehmen im Land alles daran, den Verkehr auf der Schiene so reibungslos wie möglich abzuwickeln. Zwar können in der Kürze der Zeit keine neuen Fahrten bestellt und Fahrzeuge angeschafft werden, aber auf den zentralen Achsen kommen alle verfügbaren Fahrzeuge zum Einsatz. Die dort verkehrenden Linien sind mit maximal möglicher Sitzplatzstärke unterwegs.

Joachim Künzel, Geschäftsführer des NWL, unterstreicht das Engagement der Branche: „Wir haben das Wohl der Fahrgäste im Blick und stellen uns gemeinsam den Herausforderungen beim 9-Euro-Ticket. Obwohl der Bund keine Mittel für zusätzliche Verkehre bereitstellt, setzen die Aufgabenträger alles daran, mehr Kapazitäten zu schaffen. Die Eisenbahnverkehrsunternehmen bringen alle verfügbaren Fahrzeuge auf die Schiene.“

Das 9-Euro-Ticket bietet auch Chancen für die Branche, nach dem coronabedingten Fahrgastrückgang wieder mehr Menschen für den öffentlichen Verkehr zu begeistern, wie Ronald R.F. Lünser, Vorstandssprecher des VRR, erklärt: „Viele Menschen werden den öffentlichen Verkehr jetzt neu oder wieder entdecken. Wir wollen erreichen, dass die Reisenden zufrieden sind und von der Attraktivität des Systems überzeugt werden. Nur so kann es gelingen, einen Teil der Fahrgäste langfristig zu halten und die Mobilitätswende weiter voranzubringen.“

Trotz intensiver Vorbereitungen ist den Verantwortlichen klar, dass die steigende Nachfrage verbunden mit aktuellen Baustellen im System hier und da zu Verzögerungen führen wird. Dazu sagt Heiko Sedlaczek, Geschäftsführer des NVR: „Die Infrastruktur im Land muss weiter ertüchtigt werden, um langfristig einen leistungsfähigen Schienenverkehr sicherzustellen. Wir tun unser Bestes, um die Einschränkungen so gering wie möglich zu halten, werden Beeinträchtigungen durch lange geplante Baumaßnahmen im DB-Netz aber nicht gänzlich vermeiden können. Ich empfehle allen Reisenden, sich vor Fahrtantritt in den Online-Fahrplanauskunftssystemen über mögliche Änderungen zu informieren.“

Auch der Personaleinsatz wird während der Geltungsdauer des 9-Euro-Tickets verstärkt. Die Eisenbahnverkehrsunternehmen setzen zusätzliche Mitarbeitende in Bahnhöfen, Werkstätten sowie bei der Zugreinigung ein und verkürzen die Reinigungsintervalle. So sind an besonders stark frequentierten, großen Stationen in NRW Reisendenlenker/innen unterwegs, insbesondere an den Wochenenden und an den Feiertagen. Diese kümmern sich neben der Information darum, dass sich die Fahrgäste besser am Bahnsteig verteilen, damit alle möglichst zügig ein- und aussteigen und die Züge pünktlich abfahren können. Zudem unterstützt zusätzliches Sicherheitspersonal die Service-Kräfte vor Ort. So hat beispielsweise DB Regio NRW mehr als 50 Kräfte von DB Sicherheit beauftragt und setzt zusätzlich 30 Fahrradlotsen ein, die sich an den Bahnhöfen um Reisende mit Fahrrädern kümmern. Grundsätzlich wird aber von der Fahrradmitnahme insbesondere am Pfingstwochenende abgeraten.

Marcel Winter, Geschäftsführer von National Express und als Programmleiter der NRW-Brancheninitiative Fokus Bahn stellvertretend für die Eisenbahnverkehrsunternehmen im Land, ordnet den verstärkten Service der Eisenbahnverkehrsunternehmen in NRW ein: „Es wird an einzelnen Bahnhöfen und in bestimmten Zügen voll werden. Wir wollen dafür Sorge tragen, dass die Sicherheit der Fahrgäste gewährleistet ist und Verspätungen infolge des hohen Fahrgastwechsels möglichst gering ausfallen. Zugleich appellieren wir an die Reisenden, in der einen oder anderen Situation etwas Geduld und Verständnis mitzubringen.“

Quelle: Nahverkehr Rheinland GmbH (NVR), Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL), Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR)

Nur jedes fünfte Bahnhofsgebäude gehört noch der DB

Während die Entwicklung der Fahrgastzahlen seit Jahren steigt und mit dem 9-Euro-Ticket neue Rekordhöhen erreicht, müssen sich die Reisenden immer weniger Bahnhofsgebäude teilen. „In den vergangenen Jahrzehnten sind tausende Bahnhofsgebäude verkauft worden“, sagte Allianz pro Schiene-Geschäftsführer Dirk Flege am Donnerstag in Berlin. Nach Angaben des gemeinnützigen Verkehrsbündnisses hat die Deutsche Bahn von 1999 bis Ende vergangenen Jahres 2.824 ihrer 3.507 Bahnhofsgebäude veräußert.
„Die meisten Bahnhöfe sind in den ostdeutschen Bundesländern verkauft worden. In Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen gehört nur noch jedes 20. Bahnhofsgebäude dem Bund“, so Flege.
Der Grund für die zahlreichen Verkäufe liegt laut Allianz pro Schiene in einem „Webfehler der Bahnreform“. Seit der Bahnreform im Jahre 1994 finanziert der Bund nur noch den Bau und die Erneuerung von Bahnsteigen, fühlt sich aber nicht mehr für den Erhalt der Bahnhofsgebäude zuständig. Stattdessen verlange der Bund von seiner für die Bahnhöfe zuständigen Aktiengesellschaft DB Station & Service, die Gebäude durch Mieteinnahmen zu finanzieren, was insbesondere im ländlichen Raum „eine echte Herausforderung“ sei.
Der überwiegende Anteil der von der DB verkauften Gebäude stehe an Stationen, die weiterhin für den Schienenverkehr genutzt werden. „Zu viele der verkauften Empfangsgebäude sind heute in einem unbefriedigenden Zustand, viele können für die Reisenden nicht mehr genutzt werden und es fehlt der Überblick, wem jetzt welches Gebäude gehört“, kritisierte der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer.
Attraktive Bahnhöfe würden aber „flächendeckend für die Verkehrswende gebraucht“, so das Verkehrsbündnis. „Die Mobilität der Zukunft hört ja nicht am Bahnhof auf. Bahnhöfe sollten Mobilitätsdrehscheiben sein, die mit anderen Verkehrsmitteln verknüpft sind und auch zur Revitalisierung ländlicher Räume beitragen“, sagte Flege. Dafür brauche man Gebäude, „in denen sich die Menschen gerne aufhalten und Dienstleistungen angeboten werden“.
Nach Ansicht der Allianz pro Schiene führe der Verkauf von Bahnhofsgebäuden allerdings nicht zwingend zu einer Verschlechterung für Bahnreisende. Flege: „Kommunen und Privatinvestoren haben bereits bewiesen, dass sie Vorbildliches mit ehemaligen DB-Gebäuden schaffen können. Fast ein Dutzend der von der Allianz pro Schiene ausgezeichneten Bahnhöfe des Jahres haben Empfangsgebäude im kommunalen oder im Privatbesitz.“
„Diese Leuchtturmprojekte dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Bund in den vergangenen Jahrzehnten schlicht nicht in der Verantwortung für attraktive Bahnhofsgebäude gesehen und die Allgemeinwohlverpflichtung sträflich vernachlässigt hat“, sagte Flege. Nun müssten „Bund und Länder in einer konzertierten Aktion dafür sorgen, die Bahnhofsgebäude für die Verkehrswende fitzumachen. Dazu gehört, die Attraktivierung auch finanziell zu unterstützen – unabhängig von der Eigentümerschaft der Bahnhofsgebäude.“

Quelle: Allianz pro Schiene e.V.

Studie: Digitaler Ausbau mit ETCS deutlich zu langsam

Nur mit Hilfe eines flächendeckenden Ausbaus von ETCS (European Train Control System) können echte Interoperabilität, eine Kapazitätssteigerung des Netzes und der ersehnte Einstieg in die Automatisierung des Systems Schiene realisiert werden. Trotzdem stellen konkrete Planungen einen flächenhaften Ausbau erst nach 2030 in Aussicht. SCI Verkehr zeigt in seiner neuen Studie „ETCS DEVELOPMENT UNTIL 2030 IN EUROPE – 2022“: Selbst wenn die heute bekannten Projekte und politischen Entscheidungen im Plan umgesetzt werden, wird im Jahr 2030 der Anteil ausgerüsteter Strecken deutlich unter 50% liegen. Allerdings werden fast 70% der Fahrzeuge ausgerüstet sein müssen. Dieses Spannungsfeld und seine Implikationen für die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Schiene untersucht SCI Verkehr für 10 Fokusmärkte sowie den europäischen Gesamtmarkt.
Der flächendeckende ETCS Roll-out in Europa bleibt bislang weit hinter den Erwartungen zurück. Das gegenwärtige und mittelfristige Augenmerk liegt auf der Ausrüstung der europäischen SGV-Korridore bis zum Jahr 2030. Hierzu sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet und erhalten dafür umfangreiche unionsseitige Förderungen. Daher konzentrieren die meisten Länder ihre Aktivitäten auf die Ausrüstung dieser Korridore – allerdings nach wie vor mit unterschiedlich ausgeprägtem Engagement.
Die neuerschienene Studie analysiert den aktuellen Stand der Ausrüstung von Strecken und Fahrzeugen in 10 Fokusländern sowie im europäischen Gesamtmarkt und zeigt, dass Vorreiter wie die Schweiz, Dänemark und Belgien ETCS als Standard umsetzen, während große Bahnmärkte wie Deutschland oder Frankreich eine flächenhafte Ausrüstung eher sehr zögerlich angehen. Dabei wird zwar ein signifikanter Anstieg des Ausrüstungsgrades auf der Strecke bis 2030 hergestellt, deutlich länger wird es aber dauern, bis das System einheitlich in allen europäischen Märkten eingesetzt ist und ausgerüstete Fahrzeuge einen echten Mehrwert haben.
Gerade Länder wie Deutschland, die ausschließlich einzelne Projekte bzw. Korridore streckenseitig ausrüsten wollen, treiben die Nachfrage nach Fahrzeugausrüstungen nach oben, ohne flächenhafte Effekte realisieren zu können.

Quelle: SCI Verkehr GmbH

Dr. Ulrich Conradi tritt als Verbandsvorsteher des nph ab

Einen besonderen Tagesordnungspunkt behandelte die Verbandsversammlung des Nahverkehrsverbund Paderborn/Höxter (nph) in ihrer Sitzung am 31.05.2022: Sie berief den langjährigen Verbandsvorsteher Dr. Ulrich Conradi mit Ablauf des 31. Juli 2022 von dieser Funktion ab. Conradi hatte hierum zuvor aus persönlichen Gründen gebeten.
Seit 2013 hatte ihn die nph-Verbandsversammlung dreimal einstimmig zum Verbandsvorsteher des Aufgabenträgers für dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Hochstift Paderborn1 gewählt, zuletzt am 18.02.2021. Mit diesem Amt ist zusätzlich die Funktion des stellvertretenden NWL-Verbandvorstehers verbunden, die nunmehr ebenfalls endet.

Quelle: Nahverkehrsverbund Paderborn/Höxter (nph)