Nahverkehrs-Crashtest in Tokio:
Kürzlich fiel bei einer Diskussion der Satz: „Jeder Verkehrsplaner hierzulande sollte erst einmal nach Japan reisen, um zu sehen, wie Nahverkehr wirklich funktioniert.“ Die NahverkehrsPraxis hat das in die Tat umgesetzt. Unsere Redakteurin verband Urlaub mit Recherche – und stellte sich dem Crashtest in Tokio.
Die Megametropole mit rund neun Millionen Einwohnern (allein im Zentrum, im Großraum sind es 37 Millionen) verfügt über ein U-Bahn-Netz mit 315 Kilometern Gesamtlänge und mehr als 280 Stationen – deren Namen fremd klingen und in fremden Schriftzeichen aufgeführt sind. Kann das funktionieren? Oder wird das der totale Stress?
Einfaches Navigieren – trotz Sprachbarriere
Nun, Google Maps oder lokale Apps zeigen schon mal zuverlässig die beste Verbindung – per Fingertipp. Die U-Bahnlinien sind nicht nur farblich unterschiedlich gekennzeichnet, sondern auch mit einem Buchstaben und einer Zahl eindeutig benannt (z. B. „G08“ für Shimbashi, die achte Station der Ginza-Linie). Die Stationen selbst sind zweisprachig ausgeschildert – auf Japanisch und Englisch – und zusätzlich nummeriert. Wer sich also den Namen Omotesando und Kanda nicht merken kann, fährt einfach von „G02“ nach „G13“ – und steigt dort aus.
In den Zügen findet sich ebenfalls durchdachte Orientierung: Wagennummern und Ausgänge sind nummeriert, sodass sich der passende Umstieg oder Ausgang schon beim Einsteigen planen lässt. Und natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel: Wer einmal in Shinjuku ausgestiegen ist, weiß, in einer derart riesigen Station – 200 Ausgänge – braucht man einfach eine Weile, bis man sich zurechtfindet. Doch grundsätzlich funktioniert das System ziemlich perfekt – und das ganz ohne Hightech, schlicht durch gute Planung.
Bezahlen per App oder Karte – ganz einfach
Auch die Abrechnung überzeugt durch Einfachheit: Mit der Suica Card (oder einer alternative Karte) kann man kontaktlos zahlen. Wer ein Smartphone besitzt, lädt die entsprechende App ins Wallet, wo sie mit einer Kreditkarte oder alternativen Bezahlfunktion verbunden wird. Ein Klick genügt, um Guthaben aufzuladen. Wer keine Kreditkarte hat, holt sich stattdessen eine physische Karte – und lädt sie bequem mit Bargeld auf.
Kartenlesegeräte stehen an allen Bahnsteig-Eingängen und auch im Bus: Einfach einmal beim Durchgehen in die Station sowie einmal beim Verlassen der Station das Handy oder die Karte drüberziehen und schon wird der jeweilige Fahrpreis automatisch abgebucht.
Die Suica-Card ist übrigens nicht auf Tokio beschränkt: Sie funktioniert auch in vielen anderen japanischen Städten – sowohl im U-Bahn-Netz als auch im landesweiten Busverkehr. Nur wenige Linien sind ausgenommen und werden bar bezahlt. Wer hätte das gedacht: Nahverkehr kann so einfach sein. Japan macht es vor.
Autorin: Christiane Ryll
Foto: Christine Ryll Foto: Christine Ryll Foto: Christine Ryll