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Wandel des ÖPNV durch neue Mobilitätsdienstleistungen

Die Mobilität in Deutschland befindet sich gegenwärtig in einem Prozess strukturellen Wandels. Im Wechselspiel zwischen Digitalisierung, Automatisierung und Elektrifizierung einerseits und der Mobilitätswende vor dem Hintergrund zu erfüllender Nachhaltigkeitsziele andererseits entstehen neue Technologien, Geschäftsmodelle und Nutzungsmuster.

Zwar gilt dies vor allem für den motorisierten Individualverkehr (MIV), doch scheinen sich unter dem Stichwort der „New Mobility“ vermehrt ebenso Veränderungen im Bereich des ÖPNV zu vollziehen. So entstehen neue Mobilitätsdienstleistungen in den neuen Märkten der Mikromobilität, kollaborativen Mobilität und intermodalen Mobilität. Kommunen pilotieren erste Angebote einer „Mobility- as-a-Service“ oder entwickeln Apps, mit denen eine digital-vernetzte, kollaborative, inter- und multimodale Form der Mobilität ermöglicht werden soll.

Mit diesen Entwicklungen scheint sich ebenso ein Prozess der Hybridisierung zwischen Formen des privaten und öffentlichen Verkehrs anzudeuten, durch den das Potential entsteht, dass sich nicht nur die Wertschöpfungsketten der Automobilbranche, sondern auch der ÖPNV-Unternehmen zukünftig grundlegend verändern könnten. Aus dem strukturellen Wandel im Mobilitätsbereich re-kontextualisieren sich derzeit daher neue Chancen sowie Risiken, Potenziale und Herausforderungen für den ÖPNV.

Um die Veränderungen im öffentlichen Verkehr als Teil des Strukturwandels des gesamtem Mobilitätssystems strukturiert beschreiben zu können, wird das Mehrebenen-Modell nach Frank W. Geels als eine Heuristik zur Erfassung der multiplen und dynamischen Wandlungsprozesse angewendet. So ist es möglich, das Wirkungsgefüge des ÖPNV vor dem Hintergrund neuer Mobilitätsdienstleistungen als ein Spannungsverhältnis zwischen Anpassungsdruck und neuen Entwicklungschancen zu beschreiben.

Allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen (wie Urbanisierung, demographischer Wandel, Individualisierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit) stehen auf einer „Landscape-Ebene“ im Wechselspiel mit Veränderungen im Bereich der Mobilität (hinsichtlich Automatisierung, Elektrifizierung, Vernetzung, Shared Mobility und Bike Renaissance), die neue Mobilitätsdienstleistungen ermöglichen sowie erforderlich machen.

Diese wiederum stehen in einem interdependenten Wirkungszusammenhang mit Innovationen und neuen Akteuren auf einer „Nischen-Ebene“, die entlang von fünf Dimensionen erörtert werden:

  1. Markt und Technologie
  2. Zivilgesellschaft und Vision
  3. Förderung, Finanzierung und Forschung
  4. Infrastruktur und
  5. Regulierung.

Die Beschreibung der vielseitigen Dynamiken im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs verkomplizieren sich derzeitig vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, die in dieser Arbeit als eine im Frühjahr 2020 auftretende Zäsur für die Entwicklungen im deutschen ÖPNV aufgefasst wird. Auch wenn Ausgang und Effekte der Corona-Krise noch offen sind, so lassen sich die bisherigen Veränderungen im ÖPNV als eine allmählich, jedoch sich noch in einem frühen Stadium befindliche, transformative Rekonfiguration von Technologien, Geschäftsmodellen, Nutzungsmustern und Kooperationen zwischen bestehenden wie neuen Akteuren beschreiben.

Vor dem Hintergrund kommunaler Daseinsvorsorge stellen neue Mobilitätsdienstleistungen als eine integrative Ergänzung zwar gegenwärtig noch ein peripheres Phänomen dar, diese könnten jedoch den ÖPNV zukünftig immer stärker erfassen und tiefgreifend verändern.

Quelle: Hans Böckler Stiftung

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