Abellio wird Netze in Mitteldeutschland weiter betreiben

Das Sanierungsverfahren der Abellio Rail Mitteldeutschland GmbH (ABRM) steht kurz vor seinem Abschluss. Der Sanierungsplan wurde vom Amtsgericht Berlin-Charlottenburg nun offiziell bestätigt. Zuvor stimmte bereits die Gläubigerversammlung, das höchste Gremium in einem Sanierungsverfahren, ohne Gegenstimme für die Annahme des Plans zur langfristigen Sicherung des Eisenbahnverkehrsunternehmens mit Sitz in Halle (Saale).
Der Sanierungsplan fußt auf Vereinbarungen mit den mitteldeutschen Aufgabenträgern. Im Mittelpunkt der gemeinsam erarbeiteten langfristigen Lösung steht die uneingeschränkte Fortführung des Fahrgastbetriebes sowie der Erhalt von Arbeitsplätzen. 
Mit den betroffenen Aufgabenträgern, darunter die Federführer Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH (NASA) und Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr (TLBV), verständigte sich Abellio, das Saale-Thüringen-Südharz-Netz (STS) bis zum planmäßigen Auslaufen des Vertrages im Jahr 2030 weiter zu befahren. Darüber hinaus wird Abellio seine Dienstleistungen im Dieselnetz Sachsen-Anhalt (DISA) bis 2024 vollumfänglich erfüllen. Zu diesem Zweck hat sich der Gesellschafter von Abellio Deutschland erneut zum Standort Mitteldeutschland bekannt.
Zitat Rolf Schafferath, Vorsitzender der Geschäftsführung der Abellio Rail Mitteldeutschland GmbH: „Das Sanierungsverfahren hat die entscheidende Hürde genommen. Dank der Einigung mit den Aufgabenträgern und dem weiteren Engagement des Gesellschafters kann Abellio mit neuer Kraft durchstarten. Abellio ist ein verlässlicher Dienstleister und will dies auch in Zukunft in gewohnt guter Qualität bleiben. In einem gemeinsamen Kraftakt haben wir jetzt die Weichen gestellt, dass Abellio auch künftig seinen Fahrgästen den bestmöglichen Service anbieten kann. Mein Dank gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre Geduld und ihre Treue zum Unternehmen sowie den Aufgabenträgern für ihr engagiertes, lösungsorientiertes Handeln.“
Zitat Generalbevollmächtigter Prof. Dr. Lucas Flöther: „Alle Akteure haben an einem Strang gezogen, um für die Menschen in der Region den verlässlichen und qualitativ hochwertigen Schienenpersonennahverkehr weiter fortsetzen zu können.“
Zitat Sachwalter Dr. Rainer Eckert: „Der Bestätigung des Sanierungsplanes durch das zuständige Gericht in Berlin-Charlottenburg folgt nun eine 14-tägige Rechtsmittelfrist, nach deren Ablauf das Verfahren offiziell beendet werden kann.“
Die Vergleichsvereinbarungen zu den beiden von Abellio in Mitteldeutschland betriebenen Netzen STS und DISA sehen neben der Fortsetzung der Verkehre bis in die Jahre 2030 bzw. 2024 Anpassungen bei strukturell bedingten, nicht von Abellio beeinflussbaren Kosten vor. So wurde beispielsweise eine Minderung von Baustellenfolgekosten vereinbart, die bisher nicht ausreichend von den Verkehrsverträgen abgedeckt waren. Diese Anpassungen basieren auf den Empfehlungen des vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen durchgeführten „Runder Tisch Baustellenmanagement“.
An einer Neuausschreibung des DISA-Netzes wird sich Abellio nicht beteiligen. Vielmehr sollen Mitarbeitende und Züge durch den neuen Betreiber übernommen werden, um einen reibungslosen Übergang und somit stabilen Fahrgastbetrieb zu gewährleisten.
Das Schutzschirmverfahren der Abellio Rail Mitteldeutschland, ein Tochterunternehmen von Abellio Deutschland, wurde notwendig, nachdem Abellio aufgrund struktureller Probleme im deutschen Schienenpersonennahverkehr (SPNV) unter wirtschaftlichen Druck geriet und am 30. Juni 2021 jeweils separate Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung, sogenannte Schutzschirmverfahren, für alle Konzerngesellschaften beantragt hatte.

Quelle: Abellio GmbH

Hessische Kommunen fordern mehr Landesanteile für den ÖPNV

Ein funktionierender und attraktiver Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) ist angesichts einer fortschreitenden Klimakrise, steigenden Energiekosten und einem drohenden Verkehrsinfarkt auf den Straßen eine Grundvoraussetzung für zeitgemäß angepasste Mobilität. Die Qualität des Angebots beeinflusst z.B. auch Entscheidungen der Menschen über die Wahl des Wohnortes und des Arbeitsplatzes. Sie ist damit ein Standortfaktor, aber auch ein Aspekt der gesellschaftlichen Teilhabe.
Die Qualität ist jedoch gefährdet. Der ÖPNV in Hessen kostet pro Jahr rund zwei Milliarden Euro, die alleine durch Fahrgeldeinnahmen bei Weitem nicht abgedeckt werden können.
Der Hessische Landkreistag, der Hessische Städtetag, der Hessische Städte- und Gemeindebund und die Landesarbeitsgemeinschaft ÖPNV Hessen fordern deshalb mit einer gemeinsamen Erklärung vom 02.06.2022 deutlich mehr Landesgeld für den ÖPNV:

Der Präsident des Hessischen Landkreistages, Herr Landrat Wolfgang Schuster, sagte anlässlich der Unterzeichnung: „Man kann nicht immer weitere Anforderungen draufpacken und dann nur mit Kleingeld dafür bezahlen wollen“. Das Land habe jenseits der rein rechtlichen Festlegungen eine überregionale und strukturelle Verantwortung und müsse deshalb erhebliche zusätzliche originäre Landesmittel für die Finanzierung des ÖPNV zur Verfügung stellen.

Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld, Präsident des Hessischen Städtetages, verweist darauf, dass der Hessische Landtag stets betone, wie bedeutend der Öffentliche Personennahverkehr sei. Er unterstreicht: “Dem Bekenntnis des Landes zur Verkehrswende müssen nun auch Taten folgen. Das Land muss seinen Finanzierungsanteil am ÖPNV mit auskömmlichen und dauerhaften Anteilen im Landeshaushalt untermauern.”

Der Präsident des Hessischer Städte- und Gemeindebundes, Herr Bürgermeister Baaß aus Viernheim, betonte, Städte, Gemeinden und Landkreise stünden grundsätzlich auch weiterhin zu ihrer Finanzierungsmitverantwortung für eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr entsprechend den regionalen und örtlichen Gegebenheiten. „Wenn die kommunalen Mittel aber erschöpft sind, und Bund und Land nicht helfen, bleiben nur Kürzungen bei den Standards und der Anbindungsqualität.“

Der Vorstandsvorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft ÖPNV Hessen, Herr Prof. Dr. Reinhold, erklärte abschließend: „Wir appellieren gemeinsam an das Land Hessen, seinen politischen Zusagen und Vorgaben zur Mobilitäts- und Verkehrswende zu folgen und die originären Mittel im Landeshaushalt ziel- und bedarfsorientiert deutlich aufzustocken und zu dynamisieren. Es ist zudem Aufgabe des Landes Hessen dafür Sorge zu tragen, dass von den Regionalisierungs- und Landesmitteln eine hinreichende Weiterleitung auch an die lokalen Aufgabenträgerorganisationen erfolgt. Ohne zusätzliche originäre Landesmittel für den ÖPNV wird es nicht möglich sein, die überregionale Erschließungsfunktion der lokalen Verkehre zu sichern und eine erfolgreiche Mobilitätswende zu gewährleisten.“

Quelle: traffiQ Lokale Nahverkehrsgesellschaft Frankfurt am Main

ÖPNV und ergänzende Mobilitätsangebote in Bayern in einer App

Seit heute (13. Juni 2022) steht die überarbeitete Bayern-Fahrplan-App als Beta-Version in den App-Stores für iOS und Android als „(Next) Bayern Fahrplan“ kostenfrei zur Verfügung. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) hat das Design und die Nutzerführung modernisiert und wird die App in den kommenden Monaten Schritt für Schritt funktional erweitern.
Zusätzlich zur Fahrtauskunft für den ÖPNV in ganz Bayern und Deutschland sind folgende neue Funktionen geplant: Für die gewählten Fahrten liefert die App in Zukunft Informationen zur Auslastung der Verkehrsmittel und Fahrgäste können sich über Verspätungen benachrichtigen lassen. Fahrgäste mit Einschränkungen können ihre Reise barrierefrei von Tür zu Tür planen. Neben den klassischen Verkehrsmitteln des ÖPNV wie Regionalzüge, Busse, Trams und U-Bahnen werden auch ergänzende Mobilitätsangebote integriert, insbesondere Sharing-Anbieter (Fahrräder, E-Scooter, Autos). Diese sollen über die neue App künftig auch gebucht und bezahlt werden können. Darüber hinaus können Fahrgäste über die Bayern-Fahrplan-App schon bald Anschlusswünsche anmelden, für den Fall, dass ihr Regionalzug verspätet ist. Soweit möglich, wartet dann der Anschlusszug am Umsteigebahnhof. Auf vielfachen Wunsch von Nutzern arbeitet die BEG auch an einer Möglichkeit, ÖPNV-Tickets in der neuen App anzubieten.
„Durch die neuen Funktionen entwickelt sich die Bayern-Fahrplan-App Schritt für Schritt zu einer umfassenden Mobilitätsapp für ganz Bayern weiter“, sagt Thomas Prechtl, Sprecher der Geschäftsführung der BEG. „Die App spielt eine maßgebliche Rolle bei unserem Ziel, Reisen mit dem ÖPNV so einfach und komfortabel wie möglich zu machen. Fahrgäste können sich aktiv in die Weiterentwicklung der App einbringen, indem sie die Beta-Version testen.“
„Die neue App soll ÖPNV und ergänzende Mobilitätsangebote, aber auch städtisch und ländlich geprägte Räume digital miteinander vernetzen“, sagt der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter. „Die Menschen in Bayern erhalten mit dem Smartphone nach der vollständigen Umsetzung einen einfachen Zugang zu allen Mobilitätsangeboten.”
Nutzer der Beta-Version können ihr Feedback zur App gern an die E-Mail-Adresse fahrgastinfo@bahnland-bayern.de senden.

Quelle: Bayerische Eisenbahngesellschaft mbH (BEG)

Bundesrat stimmt 2. Änderungsverordnung der Mobilitätsdatenverordnung zu

Der Bundesrat hat der vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr vorgelegten 2. Änderungsverordnung der Mobilitätsdatenverordnung zugestimmt. Mit der Verordnung wird die Pflicht für Verkehrsunternehmen nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) konkretisiert, dynamische Daten im Linien- und Gelegenheitsverkehr zur Verfügung zu stellen. Dies betrifft Daten von Taxen, Mietwagen, Poolingfahrzeugen und dem Öffentlichen Personennahverkehr. Die Verordnung tritt am 1. Juli 2022 in Kraft.
Dazu Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr (FDP): „Es müssen mehr und bessere Mobilitätsdaten bereitgestellt werden. Daten sind die Grundlage für attraktive Angebote und die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle. Durch die Mobilitätsdatenverordnung werden nun Echtzeitdaten u.a. aus dem ÖPNV verfügbar gemacht. Dabei geht es z.B. um Daten zur Auslastung – auch an Bahnhöfen, zu Störungen und zur Verfügbarkeit und Auslastung von Taxen oder Mietwagen im Verkehr oder an Stationen. Mit diesen Informationen können Verkehre künftig effizienter und nachhaltiger gesteuert werden. Sie sind außerdem die Basis für die Entwicklung von Mobilitätsapps, mit denen die Menschen ihre Wege bedürfnisgerecht planen können.“
Die 2. Änderungsverordnung der Mobilitätsdatenverordnung regelt die Bereitstellungen dynamischer Daten im Linienverkehr (z.B. Störungen, Ausfälle, Verspätungen sowie die Auslastung), zu Zugangsknoten wie Bahnhöfen, Haltestellen und Haltepunkten (z.B. deren aktuellen Betriebsstatus) sowie dynamische Daten bei der Beförderung von Personen im Gelegenheitsverkehr (z.B. Daten zur Verfügbarkeit von Taxen oder Mietwagen im Verkehr oder an Stationen inklusive deren Auslastung und Daten zu den abgerechneten Kosten).
Die Daten müssen ab dem 1. Juli 2022 über die Mobilithek – den Nationalen Zugangspunkt Daten – verfügbar gemacht werden. Hierdurch soll eine effektivere Kontrolle von Vorgaben des PBefG ermöglicht und so für einen fairen Wettbewerb unter den Verkehrsformen gesorgt werden. Die bereitzustellenden Echtzeitdaten verbessern die Übersicht über das öffentliche Verkehrsangebot und ermöglichen den Ländern und Kommunen eine zielgerichtete Verkehrslenkung. Insgesamt unterstützt die Datenbereitstellungspflicht damit unmittelbar die neue Zielbestimmung des § 1a PBefG hinsichtlich Klimaschutz und Nachhaltigkeit.

Quelle: Internationales-Verkehrswesen.de

Automatisiert fahrende Regionalzüge

Das Forschungsprojekt „Automatisiert fahrende Regionalzüge in Niedersachsen“ geht in die nächste Phase. Gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der TU Berlin entwickelt Alstom technische Lösungen, um den Schienenpersonenverkehr in Deutschland schrittweise zu digitalisieren. Das Projekt wird über das Europäische Zugbeeinflussungssystem ETCS die Möglichkeiten der Automatisierung im Regionalverkehr ausloten. Die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) unterstützt das Projekt und stellt zwei Regionalzüge für die Tests zur Verfügung. Erprobt wird das automatisierte Fahren auf Strecken in Niedersachsen. Während das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) das Forschungsprojekt zur Automatisierung unterstützt, finanziert das Niedersächsische Wirtschaftsministerium die notwendige Ausrüstung der beiden Versuchsfahrzeuge mit 5,5 Mio. Euro, maßgeblich aus dem Sondervermögen Digitalisierung.
Für die Versuche in Niedersachsen werden in einer ersten Phase neue Systeme für den automatisierten Betrieb entwickelt. Dazu gehört die Signalerkennung, um die an der Strecke aufgestellten Signale (Verkehrszeichen der Bahn) erkennen und interpretieren zu können. Zudem muss der Zug Hindernisse erkennen können. Im Störungsfall wird der Zug ferngesteuert oder vom Zugbegleiter geführt. Alstom hat bereits mit Versuchszügen in anderen Ländern gezeigt, dass automatisiertes Fahren und die Fernsteuerung von Zügen technisch umgesetzt werden können. Im Projekt wird ermittelt, ob der vorhandene regulatorische Rahmen für den automatischen Betrieb (ATO) angepasst werden muss. Daraufhin wird geprüft, welche Tests und Ergebnisse benötigt werden, um das automatisierte Fahren und seine Sicherheit für den Fahrgastbetrieb hinreichend unter Beweis zu stellen.
In einer zweiten Phase muss das automatisierte Fahren als „Reallabor“ soweit wie möglich unter realen Bedingungen erfolgen. Die neuen Systeme werden in die zwei mit ETCS vorgerüsteten LNVG-Triebzüge eingebaut und im Betrieb getestet. Die Erkenntnisse aus der Entwicklung und dem Betrieb helfen dabei, die spätere Zulassung voll automatisierter Züge vorzubereiten und den Regionalverkehr weiter zu automatisieren.

Quelle: Alstom

„Nur, wenn wir die Instandhaltung der Fahrzeuge optimieren, kann die Verkehrswende gelingen“

Der Sieger des diesjährigen Future Mobility Awards, Awake Mobility, befasst sich mit der Datenanalyse für Nutzfahrzeuge. Die Nahverkehrs-praxis hat den CEO und Co-Founder Daniel Tyoschitz zu der Lösung und den Ambitionen des Start-ups interviewt.

Nahverkehrs-praxis: Wer ist Awake Mobilty und womit beschäftigt Ihr euch?

Daniel Tyoschitz: Wir sind ein Münchner Start-up, haben uns vor 1,5 Jahren gegründet und beschäftigen uns mit der Datenanalyse für Nutzfahrzeuge, im ersten Schritt für Busse. Wir wollen Lösungen anbieten, die den Klimawandel aufhalten. Die Verkehrswende droht aufgrund des Fachkräftemangels in der Instandhaltung zu scheitern. Wir haben uns gesagt, dass wir Lösungen entwickeln möchten, die die Instandhaltung optimieren, denn nur dann kann auch die Verkehrswende gelingen.

Nahverkehrs-praxis: Warum habt Ihr eine Lösung speziell für Busse entwickelt?

Daniel Tyoschitz: Busse sind der erste Use-Case, perspektivisch könnte man unser Modell auch auf Lkws, Müllwägen, Straßenbahnen etc ausdehnen. Wir wollten allerdings schnell zu einer Lösung kommen und mussten beweisen, dass wir es können und die richtigen Kompetenzen haben. Busse, insbesondere Stadtbusse, haben einen großen Vorteil: Sie sind jeden Abend auf dem Betriebshof. Sie fahren immer auf der gleichen Strecke und haben eigene Werkstätten, was wichtig ist, um mit den Verkehrsunternehmen zusammenarbeiten zu können und zu verstehen, was nicht rund läuft. Da sind andere Fahrzeugtypen komplizierter, auch bei der Regulatorik wie bei Schienenfahrzeugen.

Nahverkehrs-praxis: Worin genau könnt Ihr denn die Verkehrsunternehmen unterstützen?

Daniel Tyoschitz: Wir arbeiten mit der Werkstatt, mit der Leitstelle, der Disposition und mit den Fahrern zusammen. Zum einen sammeln wir sehr viele Fahrzeugdaten, die den Istzustand und auch den zukünftigen Zustand beschreiben. Das sind die Fahrzeugdaten, die wir analysieren. Außerdem haben wir eine Fahrermeldeapp. Die Fahrer sind die Ersten, die merken, dass etwas nicht stimmt. Heute haben sie einen Meldezettel, über den sie auf Papier notieren können, wenn mit dem Bus etwas nicht in Ordnung ist. Dann kommt der Bus im besten Fall am nächsten Tag in die Werkstatt, die Fahrer bekommen aber niemals eine Rückmeldung. Wir haben diesen Prozess digitalisiert und die Fahrer wissen nun zu jedem Zeitpunkt, wie der Stand ist und können auch über unsere App mit den Werkstattmitarbeitern kommunizieren. 
Wir bieten also nicht nur Analysen über die Fahrzeuge an, sondern wir digitalisieren komplette Prozesse und nutzen die Daten als Anreicherung, um die Prozesse effizienter zu machen und Entscheidungen auf Datenbasis treffen zu können.

Nahverkehrs-praxis: Die Lösung ist komplett hersteller-unabhängig?

Daniel Tyoschitz: Korrekt. Das ist ein unglaublich wichtiger Punkt. Zum einen haben Betreiber in der Regel eine heterogene Flotte mit verschiedenen Fahrzeugen. Für alle möchte der Betreiber aber eine Lösung für das Monitoring haben, die herstellerneutral ist. Es geht auch darum, dass die Verkehrsunternehmen kein Interesse daran haben, dass die Hersteller an die Fahrzeugdaten kommen. Denn es besteht ohnehin schon eine große Abhängigkeit von den Herstellern.

Nahverkehrs-praxis: Und wie ist es bei Euerer Lösung, wem gehören die Daten? Bleiben die erhobenen Daten beim Verkehrsunternehmen?

Daniel Tyoschitz: Die Rohdaten gehören den Verkehrsunternehmen. Sobald wir die Daten in der Hand hatten und mit den Daten gearbeitet haben, gehören die verarbeiteten Daten uns. Die Verkehrsunternehmen bekommen dafür die umfassenden Analysen, mit denen sie arbeiten und Prozesse verbessern können.

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Es wird endlich ernst mit dem Klimaschutz

„Der öffentliche Personennahverkehr ist ein wichtiger Baustein, um den Klimaschutz in der Kommune voranzubringen“1, so die Einschätzung der Stadt Nürnberg. Die Beschaffungen (Investitionen und Dienstleistungen) der VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg zielen daher ganz klar auf Nachhaltigkeit ab. Neben den ökonomischen Aspekten sind soziale und ökologische Kriterien bei der Beschaffung zu berücksichtigen. Galten insbesondere die beiden letzten Kriterien bis zur Vergaberechtsreform 2016 noch als ‚vergabefremd‘, so hat sich mit dem neuen Vergaberecht ein Paradigmenwechsel vollzogen. Dass ökologische Aspekte bei der Beschaffung am Ende den Klimaschutzzielen dienlich sind, ist offensichtlich. Aber auch die andere Dimension der Nachhaltigkeit hat einen immer höheren Stellenwert erhalten. So zielen die Forderungen aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) insbesondere auf die sozialen Aspekte im Zusammenhang mit nachhaltigen Beschaffungen ab. Daher sind Einkäufer angehalten, nachhaltige Kriterien angemessen in den Ausschreibungen zu berücksichtigen. Hierfür gibt es zahlreiche Ansatzpunkte:

Eignung der Bieter

Bereits heute können der Einkauf bzw. die Vergabestelle im Rahmen von Ausschreibungen bei der Eignungsprüfung auf nachhaltige Kriterien abstellen. Neben der Frage nach der Erfüllung gewisser Umweltstandards (EMAS- oder ISO 14001-Zertifizierung), gibt das Vorhandensein eines Energiemanagementsystems nach ISO 50001 oder das Bestehen eines Energieaudits nach DIN EN 16247 Aufschluss über die Gewissenhaftigkeit mit dem Umgang von Ressourcen. Die Vergabestelle ist hierbei frei in ihrer Entscheidung, solche Vorgaben bindend als Muss-Kriterium oder wertend (z. B. mit entsprechender Punktevergabe) zu definieren. Die Einschätzung der Bietereignung kann dabei durch das Abfordern von Eigenerklärungen insbesondere für die Einhaltung von Kriterien aus dem LkSG (z. B. in Form eines Fragebogens) ergänzt werden. Auf Grund der zukünftig zu erwartenden Regelungen aus dem Lieferkettengesetz der EU oder generell aus der CSR-Berichterstattungspflicht2 und der EU-Taxonomie-Verordnung, werden Vergabestellen immer mehr angehalten klimarelevante, nachhaltige Eignungskriterien in ihre Ausschreibungen zu übernehmen. Es ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren in Ausschreibungen die CO2-Äquivalente der ausgeschriebenen Güter und Dienstleistungen konkret abgefragt werden müssen. Daher erscheint es sinnvoll, diese Themen bereits heute im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs bei der Eignungsprüfung in Form eines Konzeptes, wie der Bieter sich die Umsetzung der zukünftigen Verpflichtungen vorstellt, abzufragen. Anfänglich sollte das sicherlich nicht allzu stark bewertet werden, um den Markt nicht selbst unnötig einzuengen. Denn viele Unternehmen sind auf solche Forderungen noch nicht eingestellt. Aber die Vergabestelle, die so etwas in ihre Ausschreibungsunterlagen mit aufnimmt, bereitet den Markt.

Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers

Die auch (vergabe-)rechtlich sicherste Form, klimarelevante Anforderungen umzusetzen, hat die ausschreibende Stelle bei der Leistungsbeschreibung. Hier können allem voran allgemeine und spezielle Standards genannt werden, die heute den Gegenstand oder die Leistung besser beschreiben helfen, als dies noch vor der Vergaberechtsreform erlaubt war. Gütezeichen wie der Blaue Engel oder die Einhaltung von Öko-Siegeln helfen dabei, ressourcenschonende Produkte oder Leistungen am Markt nachzufragen. Ein bestimmtes klima- bzw. umweltfreundliches Fertigungsverfahren kann dabei ebenso vorgeschrieben werden wie Verbrauchswerte beim Betrieb bzw. Einsatz der Produkte. Selbst die Vorgabe einer bestimmten Recyclingquote in der Leistungsbeschreibung wäre erlaubt.

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Verkehrswende à la Wiener Linien

Wir stehen inmitten herausfordernder Zeiten: Die Corona-Pandemie ist noch nicht vorbei, die Teuerung und die Auswirkungen der Klimakrise werden mehr und mehr spürbar. Auch die aktuelle geopolitische Situation lässt keinen Zweifel daran, dass die Energie- und Klimawende mit aller Entschlossenheit angegangen werden muss.
Österreich will bis 2040 klimaneutral werden, und auch Wien hat sich als Bundesland dieses ambitionierte Ziel gesetzt. Da kommt dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) eine besondere Rolle zu. Die Wiener Linien sind die Lösung für eine gute und nachhaltige Zukunft in der Stadt und deshalb ein zentraler Partner am Weg zur Verkehrswende.
Der Handlungsbedarf liegt auf der Hand. Nicht zuletzt ist auch der Verkehr einer der größten Luftverschmutzer in Wien, allen voran das Auto. Seit 2015 steigen in der österreichischen Hauptstadt sogar die Pro-Kopf-Emissionen im Verkehrsbereich. Der Verkehr ist der einzige Sektor, der selbst im Coronajahr 2020 mehr Treibhausgase verursachte als im Jahr 1990.
Die CO2-Emissionnen sind im öffentlichen Verkehr fünf bis 20-fach geringer als im PKW. Die Wiener Linien sind deshalb die erste Adresse für klimafreundliche Mobilität. Eine Zahl unterstreicht auch dieses große Potenzial: Seit 2017 besitzen in Wien mehr Menschen eine Jahreskarte bzw. ein Klimaticket als einen eigenen PKW. Die Wiener Linien sorgen dafür, dass jeden Tag 1,6 Mio Fahrgäste rasch, sicher und umweltfreundlich an ihr Ziel kommen. Auch der Öffi-Anteil im Modal Split steigt wieder. Im Vergleich zum Vorjahr klettert der Anteil 2021 in der Stadt von 27 auf 30 %. Zuvor hat der ÖPNV von 2019 auf 2020 wegen der Coronapandemie im Modal Split elf Prozentpunkte verloren. Rechnet man die noch ‚normalen‘ 2020 Monate Jänner und Februar weg, waren 2021 wieder fast 20 % mehr Fahrgäste mit den Wiener Linien unterwegs.
Der ÖV ist eine unerlässliche Klimaschutzmaßnahme wie auch eine der Optionen, um weiterhin die lebenswerteste Stadt der Welt zu bleiben. Der nächste Halt muss deshalb „Klimaziele erreichen“ heißen. Dafür ist die Stadt Wien und eine gesicherte Finanzierung von großer Bedeutung. Denn das Öffinetz gehört zum Wiener Selbstbild. Während man in Amsterdam oder Kopenhagen vor allem mit dem Rad fährt, steigt man in Wien mit einer großen Selbstverständlichkeit in Bim, Bus und U-Bahn – und zwar in allen 23. Bezirken.
Trotz der guten Bilanz liegt vor den Wiener Linien und der Stadt Wien noch einiges an Arbeit. Denn obwohl 56,2 neue Öffi-Kilometer (Vergleichszeitraum 2016/2020) in den Flächenbezirken Floridsdorf, Donaustadt und Siebenhirten entstanden sind, bleibt der PKW-Anteil im Modal Split ungebrochen hoch. Deshalb muss der öffentliche Verkehr in den Flächenbezirken und Stadtentwicklungsgebieten rasch ausgebaut werden. So steigt die Lebensqualität generell an und möglichst viele Leute profitieren davon.

Begrüntes Kompetenzzentrum für E-Mobilität

Aufgrund der wichtigen Rolle des ÖPNV für eine klimafreundliche Zukunft, setzen die Wiener Linien schon seit vielen Jahren auf den Ausbau und die Weiterentwicklung von umweltfreundlichen Antriebstechnologien.
Im Süden Wiens entsteht ein Kompetenzzentrum für E-Busse. In Siebenhirten wird eine eigene E-Bus-Garage gebaut mit dafür geeigneten Linien. 52 E-Busse werden dort ab 2023 im Einsatz sein. Zusätzlich werden für den Betrieb der E-Busse im gesamten Stadtgebiet sowie in Garagen und Straßenbahnremisen Ladestationen errichtet.
Beim gesamten Projekt werden eine ökologische Bauweise, Energieeffizienz und die klimafreundlichen Kriterien (Gebäudestandard klimaaktiv silber) großgeschrieben. So wird die begrünte Dachfläche der neuen Bus-Garage mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet sein. Die PV-Anlage produziert Strom zur Ladung der Busse, die begrünte Fläche darunter wirkt kühlend, speichert Regenwasser und filtert Luftschadstoffe sowie Feinstaub aus der Luft. Die Abwärme der Ladegeräte wird wiederum für das Beheizen der Aufenthaltsräume und des Werkstättengebäudes benutzt. Bei der Erweiterung des bestehenden Expedits setzt man außerdem auf Holz statt Beton.

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Unternehmerische Unabhängigkeit für eine noch bessere Konzentration auf den Kunden

Interview mit Till Oberwörder, Leiter Daimler Buses

Nahverkehrs-praxis: Herr Oberwörder, die Aufspaltung der Daimler AG in „Mercedes-Benz Group AG“ und „Daimler Truck Holding AG“ als eigenständige Aktiengesellschaften ist Ende letzten Jahres erfolgt. Was bedeutet dies konkret für die beiden neuen Gesellschaften?

Oberwörder: Seit dem 1. Dezember letzten Jahres sind wir ein eigenständiger Konzern, die Daimler Truck Holding AG, einer der größten Hersteller von Lkw und Bussen und Anbieter von Finanzdienstleistungen. Als eigenständiges Unternehmen haben wir unsere Zukunft selbst in der Hand und können diese optimal gestalten. Um mit einem Bild aus unserer Branche zu sprechen: Bislang mussten wir uns an der Route unserer Pkw-Kollegen orientieren. Künftig können wir unsere eigene Route planen und den für uns idealen Weg wählen.

Nahverkehrs-praxis: Es heißt dazu, dieser Schritt solle beide Gesellschaften weiter stärken und ihre Innovationen vorantreiben. Wodurch soll dies erfolgen, und welche Schwächen sollen zukünftig Stärken werden?

Oberwörder: Wir wollen weiter technologisch und auch wirtschaftlich führend sein – und unsere volle unternehmerische Freiheit wird uns helfen, dies zu erreichen. Ein Beispiel, Stichwort Brennstoffzelle: Bei der Elektrifizierung unseres Lkw- und Bus-Portfolios verfolgen wir eine klare Doppelstrategie: Bei CO2-neutralen Antrieben setzt Daimler Truck auf Batterie und Wasserstoff.

Nahverkehrs-praxis: Der ÖPNV-Branche stellt sich dabei die Frage, was bedeutet das für die Bussparte?

Oberwörder: Wir wollen auch in Zukunft der bestmögliche, vertrauenswürdige Partner für unsere Kunden sein und Mehrwert für sie schaffen. Unsere Bus-Kunden bewegen die Welt, ohne sie könnten Menschen sich nur eingeschränkt fortbewegen. Und wir leisten einen wichtigen Beitrag dazu, dass unsere Kunden erfolgreich und profitabel arbeiten können, indem wir ihnen die richtigen Produkte an die Hand geben. Dank unserer unternehmerischen Unabhängigkeit können wir uns künftig noch besser auf unsere Kunden konzentrieren. Dazu müssen wir hochprofitabel sein und den Wandel in unserer Branche aktiv gestalten. Damit uns das gelingt, fokussieren wir uns bei Daimler Buses auf vier strategische Handlungsfelder: Wir wollen global führend sein, die CO2-neutrale Mobilität weltweit vorantreiben, die Digitalisierung weiter ausbauen und das Service-Geschäft ausweiten.

Nahverkehrs-praxis: In der bisherigen Daimler AG hatte der Bus lediglich einen Umsatzanteil von kleiner 3 Prozent, während dieser Anteil bei Daimler Truck jetzt erheblich größer geworden ist. Heißt dies auch, dass die Bussparte jetzt einen größeren Stellenwert hat?

Oberwörder: Das Bus-Geschäft war schon immer und ist auch weiterhin ein fester Bestandteil des Gesamtkonzerns. Wir haben in der Vergangenheit bereits bewiesen, dass wir mit einem klaren strategischen Fokus und effizientem Wirtschaften erfolgreich am Markt sind und einen wichtigen Teil zum Unternehmenserfolg beitragen. Aber es stimmt: Mit dem Spin-off sind wir bei Daimler Buses nun noch sichtbarer und der Beitrag von Daimler Buses ist mit der Unabhängigkeit von Daimler Truck nochmal deutlich gewichtiger – wir sprechen hier von rund zehn Prozent am Gesamtumsatz.

Nahverkehrs-praxis: Skaleneffekte spielen bei der Entwicklung und Produktion stets eine große Rolle, zumindest was am Ende den Preis angeht. Hier stellt sich die Frage, wie stark der Bus vom Truck und umgekehrt partizipiert? 

Oberwörder: Wir arbeiten selbstverständlich in enger Kooperation mit unseren Kollegen von den Trucks und tauschen uns fortlaufend aus – das ist sowohl bei Assistenzsysteme als auch bei Antrieben zu sehen. Jedoch achten wir stets auf die omnibusspezifischen Herausforderungen. Das bedeutet: gemeinsam wo möglich, unterschiedlich wo nötig. Das ist zum Beispiel beim eCitaro zu erkennen, der zu 100 Prozent auf die Wünsche und Erfordernisse des Stadtbusverkehrs ausgelegt ist.

Nahverkehrs-praxis: Der Antrieb von schwereren Nutzfahrzeugen und Reisebussen, die oft lange Strecken zurücklegen, wird vermutlich über kurz oder lang ebenfalls elektrisch. Hat die Brennstoffzelle hier absehbar ihre große Chance?

Oberwörder: Bei Reisebussen und schweren Lkw im Fernverkehr gibt es klar erkennbare Gemeinsamkeiten – das Oberthema heißt maximale Reichweite bei größter Flexibilität. Das ist nach unserer Auffassung nur in Kombination mit dem wasserstoffbasierten Brennstoffzellenantrieb zu erreichen. Jedoch unterscheidet sich das Package eines Reisehochdeckers erheblich von dem einer Sattelzugmaschine. Hier liegt also eine gemeinsame Technologie in unterschiedlicher Ausprägung nahe.

Nahverkehrs-praxis: Welchen Entwicklungsstand hat Daimler Truck hier aktuell erreicht? Wann kommt die Brennstoffzelle serienreif in die Nutzfahrzeuge, in die Reisebusse und schließlich auch in die Stadtbusse? Und welche Bedeutung hat dabei der Range Extender?

Oberwörder: Wir haben uns beim Stadtbus klar für die Brennstoffzelle als Range Extender positioniert. Mit rein batterieelektrischem Antrieb wird der eCitaro mit der neuesten Batteriegeneration bereits alle wesentlichen Forderungen nach Reichweite im täglichen Betrieb abdecken. Der eCitaro Range Extender erfüllt Wünsche die darüber hinausgehen. Anders wird das beim Reisebus aussehen, der aus Gründen von Gewicht und Platz keine üppige Ausstattung mit Batterien für den Einsatz auf Langstrecken zulässt.

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„Wir fühlen uns den Klimazielen verpflichtet“

Interview mit Rudi Kuchta, Head of Business Unit Bus bei MAN Truck & Bus

Nahverkehrs-praxis: Herr Kuchta, der Antrieb von Bussen wird absehbar vollkommen elektrisch sein. Können sie uns sagen, wohin die Reise bei MAN Truck & Bus geht und wie dabei voraussichtlich die Zeitschiene aussieht?

Kuchta: MAN ist klar auf den batterieelektrischen Antrieb ausgerichtet, um die Dekarbonisierung, insbesondere im urbanen Raum, noch effizienter voranzutreiben. Dies geschieht gleichermaßen aus ökologischen und ökonomischen Gründen. 2020 haben wir unsere 12-Meter und 2021 unsere 18-Meter Stadtbusse der Generation „Lion’s City E“ als Serienprodukt in den Markt gebracht und werden in den kommenden Jahren deren Reichweite, Batterielebensdauer und TCO-Werte mit weiteren Effizienzpaketen weiter verbessern. Wir erreichen dann unter realistischen Einsatzbedingungen mehr als 400 Kilometer und haben damit den 100-prozentigen elektrischen Weg erreicht, dies gilt dann auch für lange städtische Umläufe. Wir glauben, dass der E-Antrieb im Stadtbussegment in Europa zukünftig den Markt dominieren wird. Außerhalb von Europa bieten wir ab 2023 ein eBus-Chassis für den vollelektrischen und umweltfreundlichen Einsatz im Weltmarkt an.
Je nach weiterer Marktentwicklung werden wir auch mit der Elektrifizierung der Überland- und Reisebusse folgen, und je nach technologischem Fortschritt und der weiteren Entwicklung hinsichtlich Verfügbarkeit und Kosten der jeweiligen Energieträger sowie der Ladeinfrastruktur werden wir entscheiden, ob neben der reinen Elektromobilität auch wasserstoffbasierte Antriebe mit Brennstoffzellen-Technologie in Frage kommen. Dies gilt aber eher für den Fernverkehr bzw. für Reise- und Überlandbusse. In der urbanen Mobilität ist die Zukunft batterieelektrisch.

Nahverkehrs-praxis: Bund und Länder setzen auf „grünen“ Wasserstoff und verfolgen jeweils eine klare Wasserstoffstrategie. Diese zielt primär offenbar auf die Industrie, aber auch auf den Antrieb von Fahrzeugen. Allein die Industrie braucht für die Dekarbonisierung Unmengen von Wasserstoff. Da bleibt voraussichtlich nicht mehr viel Wasserstoff für Fahrzeuge übrig, so Prof. Dr. Schrödl von der TU Wien. Wenn dies so ist, was heißt das mittel- bis längerfristig für wasserstoffbasierte Antriebe von Nutzfahrzeugen und Bussen?  Dabei bleibt die Frage: Welcher Antrieb hat die besten Aussichten auf nachhaltigen Erfolg? Batterie oder Wasserstoff, oder beides oder eine Mischform?

Kuchta: Zum Antrieb mit Wasserstoff bzw. Brennstoffzelle lässt sich in Stichworten folgendes sagen: Noch lange Zeit nicht wirtschaftlich, zu teuer, hoher Energieeinsatz und schwer umsetzbar mit grünem Wasserstoff – der batterieelektrische Stadtbus ist zumindest für den Stadtverkehr effizienter und damit wirtschaftlicher.
Die Erzeugung von grünem Wasserstoff durch Strom (Elektrolyse) sowie dessen Rückwandlung in Strom für die elektrischen Antriebsmotoren durch die Brennstoffzelle bedeutet insgesamt einen erheblich schlechteren Wirkungsgrad als bei reinen Batterieantrieben. So landen beim Batteriebetrieb etwa zwei Drittel des Stroms wirklich auf der Straße und bei Wasserstoff nur etwa ein Drittel. Und dass nur regenerativ erzeugter Strom für diesen grünen Wasserstoff Verwendung finden darf, versteht sich von selbst. Eine Brennstoffzelle wird aktuell mit 4-5 Jahren Lebensdauer angesetzt, unsere MAN-Batterien mit bis zu 12 oder sogar mehr Jahren. Da Brennstoffzellen wohl noch längere Zeit eher in kleinen Stückzahlen produziert werden, spielt auch der Skaleneffekt beim Preis eine ungünstige Rolle.
Allein diese wenigen Gegenüberstellungen zeigen, dass der wasserstoff-basierte Antrieb zumindest für Stadtbusse erheblich unwirtschaftlicher ist als ein batteriebasierter Antrieb.  Für den Fernverkehr kann dies wie gesagt aber künftig auch anders aussehen.  

Nahverkehrs-praxis: Für Stadtbusse hat sich der batterieelektrische Antrieb dagegen klar durchgesetzt und wird zwischenzeitlich in Serie eingesetzt. Dies gilt ebenso für ihren Stadtbus „MAN Lion’s City E“. Sagen sie uns bitte in Stichworten, was diese Fahrzeuggeneration auszeichnet?

Kuchta: Wir haben unsere neue Stadtbusgeneration „Lion’s City“ 2018 in den Markt eingeführt und 2019 durch den „Lion’s City E“ elektrifiziert – seit 2020 produzieren wir den MAN eBus in Serie. Mit unserer verlässlichen und im VW-Standard entwickelten Batterietechnologie erreichen wir im Einsatz hervorragende Reichweiten und haben bei unseren Kunden mit modernem Design und prämiertem Erscheinungsbild eine hohe Akzeptanz. Über unseren Bereich MAN Transport Solution bieten wir unseren Kunden eine 360-Grad-Beratung mit einem Gesamtkonzept bzgl. Ladeinfrastruktur, Depotmanagement sowie ein effizientes Lademanagement mit Digitalen Lösungen wie dem eManager. Das Ganze runden wir ab durch ein Servicekonzept, das auf E-Mobilität ausgerichtet ist. Servicepersonal und Fahrer profitieren zudem von gezielten Schulungen. So sind wir mit unseren batterieelektrischen Bussen für die Zukunft sehr gut aufgestellt.

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