Exklusives Interview: „Der ÖPNV ist ein sicheres, umweltschonendes und sauberes Verkehrsmittel – jetzt mehr denn je“

Interview mit dem Virologen Prof. Dr. Schmidt-Chanasit

Corona lässt uns Busse und Bahnen meiden: Zu viele Menschen, zu viel Nähe, zu großes Infektionsrisiko, denken offenbar viele. Die Fahrgastzahlen steigen nur langsam wieder an. Während des Shutdowns sanken sie auf 20 bis 30 %, aktuell liegen sie bei 70 bis 80 % gegenüber dem Vorjahr. Dabei sind die Sorgen eher unbegründet, sagt der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. Der Professor meint: Mit den AHA-Regeln Abstand, Hygiene und Alltagsmaske lässt sich auch der ÖPNV nutzen. Schon früh hat er vor einer gewissen Daueraufgeregtheit gewarnt. Sie könne zu einer „Corona-Müdigkeit“ führen und dazu, dass die Menschen sich nicht mehr an die AHA-Regeln halten. Diese könne man allerdings gar nicht genug kommunizieren, so Schmidt-Chanasit. Ulrich Sieg hat mit ihm gesprochen.

Nahverkehrs-praxis: Herr Professor Schmidt-Chanasit, wie gut haben wir in Deutschland bisher das Corona-Virus im Griff?

Schmidt-Chanasit: Bislang ist Deutschland bekanntlich ziemlich gut durch die Pandemie gekommen. Nach meiner Wahrnehmung hat das vor allem mit der föderalen Struktur der Bundesrepublik zu tun, mit dem hohen Niveau unserer medizinischen Versorgung und ganz besonders mit der hervorragenden Arbeit unserer Gesundheitsämter. Es scheint von Vorteil zu sein, dass bei uns der Infektionsschutz und die Gesundheitsversorgung regional organisiert sind. Auch das Hausarztmodell gibt es so in anderen Ländern nicht. In Italien geht man gleich ins Krankenhaus, womöglich bereits in infektiösem Zustand. Hier ist die Hausarztpraxis erste Anlaufstelle – und zwar erstmal telefonisch oder das Gesundheitsamt. Die arbeiten auch jetzt noch am Anschlag und leisten wirklich Großartiges.

Nahverkehrs-praxis: Müssen wir uns dennoch weiter Sorgen machen?

Schmidt-Chanasit: Über Wochen haben wir sehr wenige Neuinfektionen registriert, vor allem hier in Hamburg. Offenbar haben sich die Bürgerinnen und Bürger sehr konsequent an die Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen gehalten. Es gab eine Zeit, in der selbst wir im Tropeninstitut gedacht haben: Eigentlich gibt es in Hamburg kaum noch einen Ort, an dem man sich anstecken könnte. Trotzdem halten wir weiter Abstand zueinander, und wo das nicht möglich ist, tragen wir einen Mund-Nasen-Schutz. Aber offenbar ist das nicht überall so. Ein weiterer Anstieg der Neuinfektionen muss verhindert werden.

Nahverkehrs-praxis: Wir hören zunehmend von unvernünftigem Verhalten einer Reihe von Menschen, von feierlustigen Partygängern ohne Masken und ohne Einhaltung von Abstandsregeln sowie von Rückkehrern aus sogen. Risikoländern. Ist die Gefahr einer zweiten Corona-Welle bereits absehbar?

Schmidt-Chanasit: Eine Kollegin von mir hat das mit dem schwierigen Versuch verglichen, Milch auf dem Herd vor sich hin köcheln zu lassen. Wenn Sie nicht aufpassen, kocht die Milch über und macht eine Riesensauerei. Deshalb müssen Sie permanent danebenstehen und die Temperatur regeln. So ist es auch mit den Lockerungen: Wir kommen weder durch die Pandemie, indem wir den Herd ausstellen, also alles dichtmachen, noch, indem wir die Platte auf neun stellen, also so leben wie letztes Jahr noch. Wir müssen Konzepte finden, sicher zu reisen, zu feiern, zu arbeiten, zu lernen, zu handeln. Selbst angemeldete Prostitution soll demnächst in Norddeutschland wieder erlaubt sein, weil sich da soloselbständige Prostituierte zusammengetan und ein bestechendes Hygienekonzept entwickelt haben. Für das Pandemiemanagement ist das schlicht eine Frage der Risikoabwägung: Wenn wir die Infektionszahlen im Griff behalten wollen, müssen wir die Infektionsketten nachvollziehen und unterbrechen können. Und das können wir nicht bei illegalen Parties oder illegaler Prostitution.

Nahverkehrs-praxis: Eigentlich sind die präventiven Grundregeln für alle doch ganz einfach: Abstand halten, Mund-Nasen-Schutz tragen und einfache Hygieneregeln, wie z.B. häufiges Händewaschen, einhalten. Sind dies die besten und wirkungsvollsten präventiven Schutzmaßnahmen?

Schmidt-Chanasit: Ja, aber es fällt uns offenbar schwer, diese beizubehalten, wenn die Infektionszahlen gerade sehr niedrig sind. Da spielen auch kulturelle Aspekte eine große Rolle. Es gehört schon einiges dazu, eine ausgestreckte Hand nicht zu schütteln oder die beste Freundin nicht zu umarmen. Sie können nicht von heute auf morgen eine Begrüßungskultur ändern. Wir kennen das von anderen Epidemien, in Afrika z.B. oder China. Auch da gab und gibt es kulturelle Besonderheiten, etwa die Verwendung von Wildtieren, Bestattungsrituale und dergleichen. Aber es hilft nichts: Bis auf weiteres müssen wir die AHA-Regeln anwenden, das heißt: Abstand wahren, Hygiene einhalten und dort Alltagsmasken tragen, wo kein Abstand möglich ist. So viel Konsequenz und Solidarität kann jede/r aufbringen.

Nahverkehrs-praxis: Im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) mit Bussen und Bahnen ist ein ausreichender Abstand in den Fahrzeugen nicht immer einzuhalten. Genau deshalb ist hier das konsequente Tragen von Masken als Pflicht vorgeschrieben. Sehen Sie die Maskenpflicht hier als guten und ausreichenden Schutz vor einer Infizierung?

Schmidt-Chanasit: Die Maskenpflicht ist ein Baustein in einem Gesamtkonzept. Hinzu kommt, dass Bahnen und Busse ja gut durchlüftet sind durch das regelmäßige Öffnen der Türen. Außerdem setzen die Verkehrsbetriebe zusätzliche Wagen ein und haben ihre Taktzahl erhöht. Das alles trägt dazu bei, das Infektionsrisiko zu senken.

Nahverkehrs-praxis: Würden Sie dabei zwischen Fahrzeugen und Bahnhöfen unterscheiden? Sind hier differenziertere Schutzmaßnahmen sinnvoll?

Schmidt-Chanasit: Unbedingt. Maskentragen ist ja nun wirklich kein großes Zugeständnis, aber auf Dauer durchaus anstrengend. Wenn ich allein auf dem Bahnsteig sitze, kann ich daher selbstverständlich die Maske abnehmen. Aber ich glaube, inzwischen haben wir alle ein ganz gutes Gefühl für Abstände, durchlüftete Räume und Menschenmengen bekommen. Das muss man auch nicht überregulieren.

Nahverkehrs-praxis: Auch relativ oft berührte Oberflächen in Fahrzeugen und Bahnhöfen werden häufig desinfiziert, um sogen. Schmierinfektionen zu vermeiden. Ist das überhaupt erforderlich?

Schmidt-Chanasit: Schmierinfektionen sind nach aktuellem Forschungsstand nicht der Hauptübertragungsweg von Sars-COV-2, sondern Tröpfcheninfektionen. Aber selbstverständlich macht es Sinn, sich regelmäßig die Hände zu waschen. Denn wir fassen uns etwa 800 Mal pro Tag ins Gesicht.

Nahverkehrs-praxis: Die Verkehrsunternehmen praktizieren darüber hinaus weitere präventive Maßnahmen, wie z.B. den Verzicht des Verkaufs von Tickets beim Fahrer, oder das automatische Öffnen aller Türen, um die Ansteckung ihrer Fahrgäste in Fahrzeugen und Anlagen weitestgehend zu vermeiden. Kann man nach Ihrer Einschätzung den Menschen damit insgesamt deren Sorge vor der Nutzung des ÖPNV nehmen?

Schmidt-Chanasit: Hundertprozentige Sicherheit gibt es nirgends im Leben, auch nicht in einer Pandemie. Nicht nur der Staat muss da eine Risikoabwägung vornehmen, auch wir als Privatpersonen müssen das. Ich selbst bin Pendler. Ich pendele zwischen Berlin und Hamburg. Welches Risiko ist da wohl höher: dass ich mich im ICE, wo alle mit Mund-Nasen-Schutz sitzen, mit Corona infiziere, oder dass ich auf der A24 einen Unfall mit meinem Auto baue? Ziemlich sicher Letzteres. Für mich ist der ÖPNV ein sicheres, umweltschonendes und sauberes Fortbewegungsmittel – jetzt mehr denn je.

Nahverkehrs-praxis: Verschiedene Untersuchungen und Statistiken zeigen, dass die Nutzung des ÖPNV bisher keine relevante Quelle von Infektionen war. Entspricht dies auch Ihrer Erfahrung, oder liegen Ihnen dazu weitere Erkenntnisse vor?

Schmidt-Chanasit: Das entspricht auch meinem Kenntnisstand. Allgemein kann man dazu sagen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung mit der Reisedauer und mit der Anzahl der Mitreisenden steigt. Im ÖPNV sind die durchschnittlichen Reiseweiten aber relativ kurz.

Nahverkehrs-praxis: Abschließend noch eine Frage: Was würden Sie den Fahrgästen und den ÖPNV-Unternehmen ergänzend zu den vorangegangenen Ausführungen noch empfehlen, um weiterhin entspannt und ohne Angst den ÖPNV als wichtiges Rückgrat der Mobilität zu nutzen?

Schmidt-Chanasit: Lassen Sie uns alle die AHA-Regeln beherzigen, Abstand halten, Hände waschen, Alltagsmasken tragen, wo kein Abstand möglich ist, kurz: konsequent und solidarisch sein, Rücksicht nehmen, aufeinander achtgeben! Dann wird es uns gelingen, gut durch die Pandemie zu kommen, ohne auf zu viele Dinge, zu viele Wege und zu viele Gewohnheiten zu verzichten. So können wir alle dazu beitragen, dass die Milch nicht überkocht.

Nahverkehrs-praxis: Herr Professor Schmidt-Chanasit, vielen Dank für das interessante Gespräch.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der aktuellen Sept/Okt-Ausgabe der Nahverkehrs-praxis. Den Beitrag können Sie auch in der digitalen Ausgabe hier lesen oder als Einzelheft bzw. als Abo hier bestellen.

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Zukunft klimafreundlicher Mobilität

Bis zum Erscheinen der Nahverkehrs-praxis 9/10-2020 am 17. September 2020 veröffentlichen wir jeden Tag vorab zwei Statements aus dem „Ausblick der Fachbeiratsmitglieder der Nahverkehrs-praxis auf den öffentlichen Personenverkehr in der Corona-Krise“. Die Statements aller Fachbeiratsmitglieder lesen Sie in der Printausgabe.

ÖPNV muss pandemieresistenter werden Prof. Dr.-Ing. Carsten Sommer, Universität Kassel, Leiter Fachgebiet Verkehrsplanung und -systeme

Die Corona-Pandemie hat das Leben erheblich verändert und damit auch starke Auswirkungen auf Mobilität und Verkehrsnachfrage. Während die Verkehrsbelastungen im Kfz-Verkehr das alte Niveau wieder erreicht oder teilweise überschritten haben, liegt die Fahrgastnachfrage im ÖPNV je nach Kommune aktuell bei 50 bis 75% der vergleichbaren Nachfrage vor Corona. Die Gründe dafür sind vielfältig: Neben Homeoffice, Online-Lehre an Hochschulen und eingeschränktem Schulbetrieb haben viele Menschen Angst vor einer Ansteckung und meiden daher den ÖPNV.
Die Herausforderungen unserer Zeit wie Klimaschutz, Erhalt der Artenvielfalt, Verkehrs- und Energiewende bleiben auch in und nach Corona-Zeiten weiterhin aktuell und erfordern eine umfassende Lösung. Der ÖPNV ist und bleibt dabei ein sehr wichtiger Baustein für Klima- und Umweltschutz sowie für mehr Lebensqualität, vor allem in den Städten. Um Menschen für den ÖPNV (wieder) zu gewinnen, muss der ÖPNV pandemieresistenter werden – denn auch nach Corona werden Teil der Bevölkerung deutlich sensibler auf Grippewellen und gesundheitliche Risiken reagieren. Neben Aufklärung sind auch neue Konzepte für mehr Abstand und Sicherheit in Öffentlichen Verkehrsmitteln erforderlich: Das bereits vor der Pandemie umstrittene Maß von 4 Fahrgästen auf einen Quadratmeter bei der Bemessung muss geändert werden. Mehr Abstand bedeutet nicht nur mehr Sicherheit, sondern auch mehr Komfort beim Reisen. Ein erheblicher Ausbau des ÖPNV mit neuen Linien und einer höheren Bedienungshäufigkeit ist für Klimaschutz und Verkehrswende dringend nötig – eine schnellere Umsetzung schafft mehr Abstand und ist damit ein Aspekt eines pandemieresistenten ÖPNV. Diese Umsetzung kostet natürlich viel Geld, sie ist aber erheblich günstiger als die Folgekosten einer autoorientierten Politik.

Lesen Sie den kompletten Beitrag mit allen Statements in der aktuellen Sept/Okt-Ausgabe der Nahverkehrs-praxis! Den vollständigen Beitrag können Sie in der digitalen Ausgabe hier lesen oder als Einzelheft bzw. als Abo hier bestellen.

Weltpremiere für den Notbremsassistenten Active Brake Assist 5 im Omnibus

Der Schutz der schwächsten Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Fahrradfahrer ist Mercedes-Benz ein besonderes Anliegen. Vor allem im Linienverkehr von Omnibussen hat dieses Thema herausragende Bedeutung. Der neue Überlandbus Mercedes-Benz Intouro ist der erste Omnibus mit dem Notbremsassistenten Active Brake Assist 5 – kurz ABA. Das auf Wunsch lieferbare Assistenzsystem kann als weltweit erster Notbremsassistent für Omnibusse jetzt eine automatisierte Vollbremsung auf sich bewegende Personen ausführen. Darüber hinaus kann ABA 5 wie sein Vorgängersystem ABA 4 innerhalb der Systemgrenzen eine automatisierte Vollbremsung bis zum Stillstand auf stehende und bewegte Hindernisse ausführen.

Quelle: Daimler AG

Erstmaliger Coradia iLint-Einsatz bei den ÖBB

In Wien startet heute (11.9.2020) eine neue Ära: Bis Ende November wird erstmals ein Wasserstoffzug im regulären Fahrgastbetrieb der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) eingesetzt. Der von Alstom im niedersächsischen Salzgitter gebaute Coradia iLint hat Brennstoffzellen an Bord, die Wasserstoff und Sauerstoff in Strom umwandeln und so den Schadstoffausstoß auf Null reduzieren.
Nach dem erfolgreichen Testbetrieb in Norddeutschland zwischen 2018 und 2020 wird sich der Coradia iLint nun drei Monate lang in Österreich bewähren und Passagiere auf geografisch anspruchsvollem Strecken befördern.
„Mit dem Einsatz im regulären Fahrgastbetrieb der ÖBB hat unser Innovationsprodukt Coradia iLint den nächsten Meilenstein erreicht“, sagte Dr. Jörg Nikutta, Sprecher der Geschäftsführung von Alstom in Deutschland und Österreich im Rahmen der Auftaktveranstaltung im Wiener Hauptbahnhof. „Die emissionsfreie Antriebstechnologie des Coradia iLint bietet eine klimafreundliche Alternative zu konventionellen Dieselzügen, gerade auf nichtelektrifizierten Strecken. Ich freue mich besonders, dass mit den ÖBB ein starker und langfristiger Partner auf dem europäischen Mobilitätsmarkt von unserer Technologie und ihren Vorteilen überzeugt ist.“
„Wir verstehen uns ganz klar als Pioniere beim Testen der Wasserstofftechnologie auf der Schiene. Als größtes Klimaschutzunternehmen Österreichs gestalten wir mit technologischen Alternativen die Mobilität der Zukunft aktiv mit“, betont Andreas Matthä, Vorstandsvorsitzender der ÖBB-Holding AG anlässlich der Premierenfahrt des Wasserstoffzugs.

Quelle: Alstom

Magdeburg beauftragt MVB für weitere 22 Jahre mit dem Nahverkehr

Die Magdeburger Verkehrsbetriebe bleiben der Betreiber des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in der Landeshauptstadt Magdeburg bis mindestens 2042. Die Landeshauptstadt hat mittels öffentlichen Dienstleistungsauftrag die Erbringung der Leistungen direkt an die MVB vergeben. Der Magdeburger Stadtrat hat 2019 beschlossen, die Magdeburger Verkehrsbetriebe weiterhin mit den Leistungen im öffentlichen Personennahverkehr in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt mittels öffentlichen Dienstleistungsauftrag zu beauftragen. Die Stadt macht damit von der nach EU-Recht gegebenen Möglichkeit der Direktvergabe von ÖPNV-Leistungen Gebrauch.
In Städten und Gemeinden dürfen zu erbringende Nahverkehrsleistungen direkt an eigene kommunale Unternehmen vergeben werden. Allerdings muss die Absicht zur geplanten Direktvergabe europaweit öffentlich angekündigt werden. Wettbewerber haben dann drei Monate Zeit, einen eigenen Antrag dafür abzugeben. Bei der Vergabe bekommen eigenwirtschaftliche bzw. kostendeckende Anträge den Vorzug gegenüber gemeinwirtschaftlichen bzw. öffentlich unterstützten Betreibern. In Magdeburg gab es keinen konkurrierenden eigenwirtschaftlichen Antrag. Dies ist Zeichen dafür, dass die MVB wirtschaftlich gut aufgestellt ist.

Quelle: Magdeburger Verkehrsbetriebe

Stellenstreichungen und Verlagerung von Standorten bei MAN

Der Vorstand der MAN SE und der MAN Truck & Bus SE hat heute (11.9.2020) den Gesamtbetriebsrat über Pläne informiert, die eine umfassende Neuaufstellung des Unternehmens vorsehen. Ziel der konsequenten Neuausrichtung ist es, MAN Truck & Bus deutlich digitaler, automatisierter und nachhaltig profitabel zu machen. Außerdem gilt der Fokus künftig alternativen Antriebssystemen.
Bereits heute bietet MAN seinen Kunden ein modernes Produktportfolio in den Bereichen Lkw, Bus und Transporter. Die Nutzfahrzeugbranche befindet sich jedoch im Umbruch. Dementsprechend vollzieht auch MAN eine grundlegende Transformation. Ab Mitte des Jahrzehnts soll MAN zu den führenden Nutzfahrzeugherstellern im Bereich Elektro- und Wasserstoffantriebe zählen. Damit stellt MAN sicher, die verschärften CO2-Regularien der EU einzuhalten und wird seinem Anspruch als nachhaltiges und innovatives Unternehmen auch in Zukunft gerecht. Auf Basis heutiger Technologien und Strukturen wird ein erfolgreiches Geschäftsmodell bereits in wenigen Jahren kaum mehr möglich sein. Um jedoch weiter in die Zukunftsfelder alternative Antriebe, Digitalisierung und Automatisierung investieren zu können, muss MAN zunächst einen umfassenden Restrukturierungsprozess durchlaufen. Ziel ist eine nachhaltige Verbesserung der Ertragslage. Die Corona-Krise hatte die ohnehin angespannte Ertragssituation des Unternehmens weiter verschlechtert: Im ersten Halbjahr wies MAN Truck & Bus einen Verlust in Höhe von 387 Mio Euro aus. Zur Umsetzung der Transformationspläne hat die Unternehmensführung der Arbeitnehmerseite heute vertrauensvolle Gespräche angeboten.
Die derzeitigen Überlegungen umfassen den Abbau von bis zu 9.500 Stellen in Deutschland und Österreich sowie weltweit über alle Unternehmensbereiche hinweg. In diesem Zusammenhang sind teilweise Verlagerungen von Entwicklungs- und Produktionsprozessen an andere Standorte geplant. Damit stehen auch der Produktionsstandort Steyr sowie die Betriebe in Plauen und Wittlich zur Disposition. Details über eine sozialverträgliche Vorgehensweise sind Teil der Gespräche mit der Arbeitnehmervertretung.

Quelle: MAN Truck & Bus

RBO-Schulbusse sind sicher

Viele Tausend Schülerinnen und Schüler werden regelmäßig auf dem Schulweg und in ihrer Freizeit von den privaten Busunternehmen der Regionalverkehr Bodensee-Oberschwaben GmbH (RBO) im bodo-Verkehrsverbund sicher an ihr Ziel gebracht. Damit die Busse allen Sicherheitsansprüchen genügen, hat die RBO mit 72 Bussen an dem landesweiten Schulbus-Check teilgenommen.
Die Ergebnisse des Projektpartners DEKRA können sich erneut sehen lassen. „Nichts zu beanstanden“, lautet das Ergebnis von Thomas Acker, Leiter der DEKRA-Niederlassung in Ravensburg.
Die Corona-Pandemie hat den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) über Nacht verändert. Seither gelten für das Bus- und Bahnfahren im bodo hohe Hygieneregeln: Trennschutzwände für das Fahrpersonal in den Bussen wurden installiert und auch die Maskenpflicht eingeführt. Die weiterhin geltenden Corona-Schutzverordnungen der Länder Baden-Württemberg und Bayern sind maßgeblich für die Verkehrsunternehmen im bodo sowie deren Personal und Fahrgäste.

Quelle: Regionalverkehr Bodensee-Oberschwaben GmbH

Schaeffler plant weltweit 4.400 Stellen zu streichen

Trotz einer Belebung der Nachfrage in allen Sparten des Automobil- und Industriezulieferers Schaeffler in den letzten Monaten, bleibt die Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie und die daraus resultierende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage hoch. Zudem deuten die Markt- und Umsatzerwartungen für den Zeithorizont bis 2025 auf eine langsame Erholung hin, was strukturelle Unterauslastungen der Produktionswerke zur Folge hat. Insbesondere der Automobilsektor, der sich bereits zuvor in einem Strukturwandel hin zur E-Mobilität befand, wird durch die Coronakrise hart getroffen. Die für das Jahr 2020 erwartete globale Produktion von Fahrzeugen liegt mit minus 20 Prozent signifikant unter Vorjahr. Ein Erreichen des Vorkrisenniveaus wird frühestens 2024 erwartet. Aber auch die globale Industrieproduktion wird im Jahr 2020 mit schätzungsweise minus 8 bis minus 12 Prozent deutlich rückläufig sein. In Anbetracht der wirtschaftlichen Lage sind daher neben temporären Maßnahmen, die auch weiterhin voll ausgeschöpft werden, zusätzliche strukturelle Maßnahmen zwingend erforderlich.
Auf dieser Basis hat der Vorstand der Schaeffler AG auf Gruppenebene und im Rahmen der Spartenprogramme ein zusätzliches Maßnahmenpaket verabschiedet, um die Transformation der Schaeffler Gruppe zu beschleunigen und ihre Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit nachhaltig zu verbessern. Das Maßnahmenpaket hat zwei Stoßrichtungen. Erstens, den Abbau von strukturellen Überkapazitäten und die Konsolidierung von Standorten in Europa mit dem Schwerpunkt Deutschland sowie, zweitens, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und den Ausbau von lokalen Kompetenzen an ausgewählten deutschen Standorten. Die strukturellen Maßnahmen, die bis Ende 2022 weitgehend umgesetzt sein sollen, betreffen im Wesentlichen zwölf Standorte in Deutschland und zwei weitere Standorte in Europa.
Genauere Angaben zu den Planungen an den jeweiligen Standorten werden in lokalen Mitarbeiterversammlungen vorgestellt. Finale Ergebnisse können dabei erst nach dem Abschluss der Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern über die notwendigen Interessenausgleiche kommuniziert werden. Insgesamt sind in Europa vom Abbau netto rund 4.400 Stellen betroffen, von denen der weitaus größte Anteil auf Deutschland entfällt.

Quelle: Schaeffler Deutschland

Gemeinsam für mehr Verkehrssicherheit

Das Osnabrücker Aktionsbündnis „Allianz für Sicherheit“ bekommt Zuwachs: Neben immer mehr Lkw werden auch die neuen E-Gelenkbusse der Stadtwerke mit einem Abbiegeassistenzsystem ausgestattet. Die Stadtwerke unterstützen damit die regionalen Logistikunternehmen und deren Engagement, den Verkehr in Osnabrück sicherer zu gestalten.
Vor zwei Jahren, im Herbst 2018, hatten sich Mitglieder des Kompetenznetzes Individuallogistik (KNI) und des Gesamtverbandes Verkehrsgewerbe Niedersachen (GVN) zum Osnabrücker Aktionsbündnis „Allianz für Sicherheit“ zusammengeschlossen. Das Ziel: als City-Logistiker gemeinsam dazu beizutragen, vor allem die Sicherheit von Fußgängern und Radfahrern zu verbessern. So verpflichten sich die Teilnehmer u.a. dazu, alle regelmäßig innerhalb des Wallrings verkehrenden Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen mit Abbiegeassistenzsystemen nachzurüsten. Neue Fahrzeuge werden gleich mit integriertem Assistenzsystem bestellt.

Quelle: Stadtwerke Osnabrück AG

Exklusives Online-Interview: Automatisches Ticketing mit FAIRTIQ

Mehrverkehr dank Nutzerfreundlichkeit – speziell in Zeiten von Corona

Um das Infektionsrisiko im öffentlichen Personenverkehr zu minimieren, gilt die verstärkte Nutzung digitaler Vertriebssysteme als eine der wichtigsten Maßnahmen für die Rückgewinnung der die durch die Corona-Pandemie verunsicherten Fahrgäste. Nahverkehrs-praxis sprach u.a. darüber mit Gian-Mattia Schucan, Gründer und Geschäftsführer der Schweizer FAIRTIQ AG.

Nahverkehrs-praxis: Herr Schucan, die Fahrgastzahlen in Deutschland sind aufgrund der Coronakrise drastisch eingebrochen, und die Erholung davon geht sehr langsam voran. Wie ist das in der Schweiz abgelaufen?

Gian-Mattia Schucan: Es ist hier sehr ähnlich verlaufen. Die Fahrgastzahlen gingen im März stark zurück, teilweise bis auf 10 % verglichen mit Vor-Coronazeiten. Jetzt liegen sie bei ca. 70 % im Nahverkehr und ca. 50 % im Fernverkehr.

Nahverkehrs-praxis: FAIRTIQ bietet eine gleichnamige App für den Fahrscheinkauf über das eigene Smartphone an. Wie hat sich die Nachfrage sowohl bei den Fahrgästen als auch bei Verkehrsunternehmen und -verbünden durch Corona geändert?

Gian-Mattia Schucan: Die FAIRTIQ-Zahlen liegen in der Schweiz, wo wir als Unternehmen schon etablierter sind, aktuell über denen des Vorjahres. Die Verwendung digitaler Vertriebskanäle – speziell von FAIRTIQ – hat stark zugenommen, die der klassischen Kanäle wie Fahrkartenautomaten ist hingegen zurückgegangen. Als Beispiel lässt sich die Region Voralberg anführen. Dort ist der ÖPNV sehr buslastig, und die Fahrkarten wurden bisher größtenteils direkt beim Fahrer verkauft. Dort machen wir inzwischen drei Mal so viel Umsatz über FAIRTIQ als noch vor einem Jahr.

Nahverkehrs-praxis: Wie funktioniert die App?

Gian-Mattia Schucan: Der Grundprozess ist – ganz einfach ausgedrückt: App öffnen, Start drücken, einsteigen, fahren soweit man möchte, Stopp drücken und fertig. Es ist ein Check-in-check-out-System, so dass der Kunde uns nicht mühsam seinen Fahrtwunsch erklären muss und wir ihm dann die passenden Tickets vorschlagen, die in Frage kämen. Der Fahrgast zeigt uns durch seine Reisedaten, wie er gefahren ist, und wir optimieren auf Tagesbasis die optimale Kombination von Tickets und Tarifen, die seine Reisen abdecken. In diesem Sinne reden wir von „automatischem Ticketing“.

Nahverkehrs-praxis: Wie und wann erfolgt die Bezahlung der Fahrt bzw. Fahrten, auch wenn der Kunde unterwegs von einem Verkehrsträger zum anderen wechselt?

Gian-Mattia Schucan: Bei einem Verkehrsträgerwechsel muss der Fahrgast nicht aus- und wieder einchecken, das erkennt das System automatisch. Nach jedem Check-out-Vorgang rechnen wir den bis zu diesem Zeitpunkt optimalen Tarif ab und zeigen diesen auf dem Smartphone an. Abgerechnet wird am kommenden Tag um 4 Uhr morgens, wenn wir sicher sind, dass keine weitere Fahrt stattgefunden hat, die tarifrelevant gewesen ist. Zu dem Zeitpunkt wird auch das Zahlungsmittel des Kunden mit der optimalen Kombination von Tickets über den Tag belastet.

Nahverkehrs-praxis: Wird die Check-in-Check-Technik vorläufig noch das System Ihrer Wahl bleiben, oder denken Sie auch schon über Be-in/Be-out nach?

Gian-Mattia Schucan: Wir denken sogar sehr stark darüber nach, wir haben das Ziel diese Möglichkeit anbieten zu können. Es bleibt dann dem Kunden überlassen, ob er das nutzen möchte oder nicht. Unser aktueller Ansatz ist, den Check-out-Prozess laufend zu optimieren, um uns dann nach und nach dem Be-in/Be-out-System zu nähern.

Nahverkehrs-praxis: Welche Vorteile haben Verkehrsunternehmen und -verbünde, wenn sie sich entscheiden, FAIRTIQ anzubieten?

Gian-Mattia Schucan: Das beginnt damit, dass die Investitionskosten deutlich niedriger sind als das bei hardwarebasierten Systemen der Fall ist. Die Verkehrsunternehmen haben natürlich auch den Wunsch, kundenfreundliche Angebote anzubieten, und ein Drittel der Kunden gibt an, dass sie den ÖPNV aufgrund der Einfachheit von FAIRTIQ auch stärker nutzen. Zudem ist es eine sehr flexible Plattform. Es können beispielsweise neue Preismodelle ausprobiert werden, und durch die Fahrten ergeben sich für die Verkehrsunternehmen wertvolle Planungsdaten über das Umsteigeverhalten der Fahrgäste, mit deren Hilfe Liniennetze optimiert werden können.

Nahverkehrs-praxis: Seit 2018 ist Ihr Angebot in der gesamten Schweiz und Liechtenstein verfügbar. In welchen anderen Ländern wird die App noch verwendet, und wie sehen Ihre Planungen für die weitere Unternehmensentwicklung aus?

Gian-Mattia Schucan: In diversen deutschen und österreichischen Regionen sind wir voll operativ tätig, einerseits mit der roten FAIRTIQ-App, aber auch mit einer Reihe von großangelegten Pilotprojekten, die zum Teil auch in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern laufen. Wir gehen von einer schrittweisen Internationalisierung aus, weil die Technik sehr einfach skalierbar ist.

Nahverkehrs-praxis: Wie finanziert Sie sich Ihr Unternehmen?

Gian-Mattia Schucan: Zum großen Teil finanzieren wir uns über die Entgelte unseres Kunden, d.h. der Partner-Verkehrsunternehmen/-verbünden. Als Startup haben wir zudem eine Reihe von privaten Investoren, denen die Verbesserung des Ticketings im öffentlichen Verkehr ebenfalls ein Anliegen ist.

Nahverkehrs-praxis: Viele Kunden möchten sich nicht mehr an ein Abo binden, weil sie momentan entweder öfter von zu Hause aus arbeiten oder Bedenken wegen eines neuerlichen Corona-Ausbruchs haben. Welche Angebote machen Sie diesen Teilzeit-Pendlern, aber auch möglichen Neu – und Gelegenheitskunden?

Gian-Mattia Schucan: Wir befinden uns hier im Moment in einer sehr intensiven Diskussionsphase mit den Verkehrsunternehmen und -verbünden. FAIRTIQ wäre von der Technik her sehr flexibel aufgestellt, um neue Dinge in diesem Kontext auszuprobieren. Seien es Teilzeitabo-Modelle oder das Thema Capping, das momentan heiß diskutiert wird. Als Ticketing-Provider machen wir den Verkehrsunternehmen Angebote und zeigen ihnen auf, welche Möglichkeiten sie hätten. Aber die Tarifhoheit liegt natürlich bei den Verkehrsunternehmen bzw. -verbünden, und wir helfen bei der Umsetzung.

Nahverkehrs-praxis: Wird der Fahrkartenverkauf am Automaten oder per App auf dem Smartphone noch lange parallel laufen, oder wird sich nach Ihrer Einschätzung die digitale Variante letztendlich durchsetzen?

Gian-Mattia Schucan: Beides wird noch eine ganze Weile parallel genutzt werden. Allerdings haben die Ticketautomaten früher oder später ein Ablaufdatum, und das ist relativ eng gekoppelt mit der Frage, wie die Entwicklung beim Barzahlen weitergehen wird. Solange das Bezahlen mit Geld eine wesentliche Rolle spielt, werden Ticketautomaten noch notwendig sein. Aber die Entwicklung geht jetzt schon in die Richtung, dass dort, wo FAIRTIQ bereits länger aktiv ist, Verkehrsunternehmen ihre Automaten um 20-30 % reduziert haben. Selbst in Ländern, in denen das Bezahlen mit Bargeld noch populär ist, hat die Coronakrise dazu geführt, dass immer mehr Menschen auf das bargeldlose Bezahlen umgestiegen sind.

Nahverkehrs-praxis: Sie haben seit 2016 eine Reihe von Preisen in und außerhalb der Schweiz gewonnen. Wofür wurde die App ausgezeichnet?

Gian-Mattia Schucan: Sie wurde in zwei Kategorien ausgezeichnet. Zum einen dafür, dass wir das Ticketing und damit die Qualität des ÖPNV-Angebots auf ein neues Niveau gehoben haben, z.B. beim UITP-Award und bei Transport Ticketing Global und zum anderen dafür, wie wir uns als Start-Up präsentieren und als Unternehmen weiterentwickeln.

Nahverkehrs-praxis: Herr Schucan, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview wurde am 13. August 2020 geführt.