Regierungsvorschläge für Reform der Verkehrsfinanzierung vernachlässigen Busse und den ländlichen Raum

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) hat am 14. Januar in Berlin eine deutlich stärkere Förderung des ÖPNV mit Bussen im Rahmen der Reform des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) gefordert. Die bisherigen Vorschläge der Bundesregierung, wie sie gestern vom Verkehrsausschuss des Bundestages im Rahmen einer Anhörung behandelt wurden, zielen fast ausschließlich auf eine Stärkung des Schienenverkehrs ab.
Damit bleiben die schnell realisierbaren Potenziale des Busverkehrs für die Umwelt ungenutzt.

Zudem droht die gewünschte Stärkung des öffentlichen Verkehrs an weiten Teilen des ländlichen Raums vorbeizugehen, die nicht an den Schienenverkehr angeschlossen sind. Der bdo bemängelt zudem, dass der Busmittelstand zu diesem wichtigen Thema bislang auch nicht offiziell angehört wurde. Die Mittelstandsvertretung des Bus-Gewerbes hat sich daher im Vorfeld der Anhörung gesondert an die Mitglieder des Verkehrsausschusses des Bundestages mit einem Positionspapier gerichtet, um auf die Defizite in den bisherigen Plänen hinzuweisen.

bdo-Hauptgeschäftsführerin Christiane Leonard sagte in Berlin zu den vorliegenden Entwürfen der Bundesregierung: „Der Bus ist der entscheidende Garant für eine umweltfreundliche und flexible Mobilität. Es ist vollkommen unverständlich, dass dieses Verkehrsmittel in den Plänen der Bundesregierung praktisch keine Rolle spielt. Wenn man die Förderung des öffentlichen Personenverkehrs und den Einsatz für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land ernst nehmen will, muss neben der Schiene auch auf den Bus gesetzt werden.“

Quelle: Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo)

Schiene braucht jeden Euro

Das gemeinnützige Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene begrüßt die Aufstockung der Mittel für Erhalt und Modernisierung der Schieneninfrastruktur. „Die in die Jahre gekommene Schieneninfrastruktur braucht jeden Euro“, sagte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, heute (14.1.2020) in Berlin. „Durch den enormen Investitionsrückstand ist der Modernisierungsbedarf im Gleisnetz erheblich. Nur mit deutlich steigenden staatlichen Mitteln bekommen die Menschen, was sie erwarten: ein zuverlässiges, leistungsfähiges Angebot der Eisenbahnen.“ Die neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit einem Volumen von 86 Milliarden Euro wollen Bund und Deutsche Bahn an diesem Dienstag unterzeichnen.
Flege warnte zugleich davor, sich von der hohen Zahl täuschen zu lassen. „Die 86 Milliarden Euro sind ein Fortschritt, aber kein Durchbruch für den Schienensektor. Bei einem genaueren Blick schrumpft die gewaltige Summe schnell zusammen auf eher bescheidene Werte mit einer eher bescheidenen Steigerung.

Die 86 Milliarden Euro für den Erhalt der Schieneninfrastruktur verteilen sich nicht nur auf ein ganzes Jahrzehnt. Mit 31 Milliarden Euro muss der Schienensektor auch mehr als ein Drittel der Gesamtsumme selbst erwirtschaften“, so Flege. Dieser Eigenanteil der Branche setzt sich zusammen aus bereits einkalkulierten Dividendenzahlungen der Deutschen Bahn, aus weiteren Zahlungsverpflichtungen der DB-Infrastrukturgesellschaften und aus Gebühren der Eisenbahnverkehrsunternehmen für Nutzung der Gleise (Trassenpreise, auch Schienenmaut genannt). „Damit verschärft die Politik sogar den Renditedruck auf das Schienennetz und verlangt einen höheren finanziellen Beitrag des Schienensektors als bisher“, kritisierte Flege. „Diese Mittel fehlen beim Ausbau des Schienensektors, den Deutschland zur Erreichung seiner Klimaziele im Verkehr dringend braucht.“

Die Zusagen des Bundes reichen nicht für die versprochene umfassende Modernisierung der Schieneninfrastruktur. Der Bahnsektor muss zudem mit den staatlichen Geldern nicht nur den Investitionsstau abarbeiten, sondern auch die erheblichen Steigerungen der Baupreise kompensieren.

Quelle: Allianz pro Schiene e.V.

Akasol liefert Batterien für Alstoms Wasserstoffzüge

Akasol setzt ihre Technologie in der Serienproduktion des weltweit ersten mit Brennstoffzellen betriebenen Nahverkehrszugs von Alstom ein. Das Unternehmen wird Batteriesysteme für über 40 Coradia iLint-Züge liefern, die die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen und der Rhein-Main-Verkehrsverbund beim Bahntechnik-Spezialisten in Auftrag gegeben haben. Mit dem Großauftrag in Höhe eines niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Betrags expandiert Akasol auch im Bereich der Brennstoffzellenantriebe und erweitert damit ihre Kundenbasis.
Die Lieferung der ersten Batterieanlagen (Batteriesysteme, Heiz- und Kühlgeräte, Kabel und Unterflurgehäuse) ist für die zweite Jahreshälfte 2020 geplant, bis voraussichtlich 2021 sollen alle 40 Anlagen ausgeliefert werden.

Quelle: Akasol

Renoviertes Kundencenter in Döbeln ist eröffnet

Am 13. Januar 2020 wurde das neue Kundencenter der Mitteldeutschen Regiobahn (MRB) im Bahnhof Döbeln feierlich eröffnet. Nach erfolgreich abgeschlossener Renovierung können die Fahrgäste nun im modernen Ambiente ihre Fahrkarten für den Nah- und Fernverkehr erwerben, Abonnements abschließen, Sitzplatzreservierungen vornehmen und sich rund um bahnbezogene Services beraten lassen.

Quelle: Transdev Mitteldeutschland GmbH

VDV fordert weitere Nachbesserungen im GVFG

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hat in der Anhörung des Bundestagsverkehrsausschusses zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) und zum Regionalisierungsgesetz Position bezogen. Während der VDV den deutlichen Mittelzuwachs positiv sieht und begrüßt, gibt es aus Verbandssicht noch einigen Nachbesserungsbedarf.
VDV-Geschäftsführer Dr. Jan Schilling stellte im Rahmen der Anhörung folgende Punkte heraus, die aus Sicht des Verbandes beim GVFG noch angepasst werden sollten:

1. Praxisgerechte Flexibilisierung beim „besonderen Bahnkörper“ ermöglichen sowie eine Differenzierung zwischen Neubau und Grunderneuerung ermöglichen

2. Gesamtwirtschaftlicher Nachweis (Standardisierte Bewertung) bei Grunderneuerungen verzichtbar

3. Kurzfristige Aktualisierung der Standardisierten Bewertung und Planungsbeschleunigung

„Wir begrüßen beide Gesetzesinitiativen ausdrücklich. Mit der Erhöhung und Dynamisierung der Regionalisierungsmittel ab 2020 und dem Mittelzuwachs im GVFG erhalten die Länder einen zusätzlichen Impuls vom Bund sowie finanzielle Spielräume zur Stärkung des ÖPNV. Beim GVFG sehen wir allerdings noch Nachbesserungsbedarf um zu praxisgerechten Lösungen zu kommen. Vor allem muss sichergestellt werden, dass aus dem GVFG auch Straßenbahnsysteme gefördert werden können, die nicht überwiegend auf „besonderem Bahnkörper“ fahren. Denn in vielen deutschen Städten gibt es Straßenbahnen, die diese Voraussetzung nicht erfüllen und damit von der GVFG-Förderung für Grunderneuerungsmaßnahmen ausgeschlossen wären“, so Schilling.

Auch zur gesetzlichen Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren bei Bauvorhaben für Straßen-, Stadt- und U-Bahnsysteme hat sich der VDV bei der heutigen Anhörung noch einmal klar positioniert: Der Branchenverband fordert, dass die Regelungen zur Planungsbeschleunigung aus dem Planungsbeschleunigungsgesetz jetzt kurzfristig auch auf Planungs- und Genehmigungsverfahren für Straßen- und U-Bahnen nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) übertragen werden. „Es macht keinen Sinn, wenn nun die Fördergelder im GVFG steigen, aber die Vorhaben trotzdem nicht schneller begonnen werden können, weil die Planungs- und Genehmigungsprozesse nach wie vor zu lange dauern“, so Schilling abschließend.

Quelle: Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV)

Nachbesserung der Förderrichtlinie zur Nachrüstung von Dieselbussen

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat die Bekanntmachung – Förderrichtlinie für die Nachrüstung von Diesel-Bussen der Schadstoffklassen Euro III, IV, V und EEV im Öffentlichen Personennahverkehr vom 19. November 2018in drei Punkten geändert:

1. Einsatzgebiet
Die Liste der im Anhang II der Förderrichtlinie genannten Kommunen soll erweitert werden. In der geänderten Richtlinie heißt es dazu, dass künftig („in den Folgejahren“) auch die Nachrüstung von Bussen in weiteren Kommunen, in denen es zu NO2-Grenzwertüberschreitungen kommt, gefördert wird. Die entsprechenden Listen werden vom Umweltbundesamt veröffentlicht.

2. Einsatzumfang
Bislang mussten Dieselbusse „überwiegend“ in einer der im Anhang der Förderrichtlinie genannten Kommunen eingesetzt werden, um förderfähig zu sein. Künftig reicht es aus, wenn diese Fahrzeuge auch im ÖPNV in einer der genannten Kommunen eingesetzt werden. Wörtlich heißt es dazu vom zuständigen Referat des BMVI auf unsere Nachfrage:
„…mit dem Austausch des Begriffs „überwiegend“ durch „insbesondere“ wird die starre Aufteilung des ÖPNV-Buslinienverlaufs innerhalb und außerhalb einer von NOx-Grenzwertüberschreitungen betroffenen Kommune aufgehoben. Die Linie muss in einer solchen Kommune, durch sie durch oder von ihr ins Umland, bzw. zu ihr hin verlaufen. Der schwer zu führende Nachweis eines bestimmten Verhältnisses der Zeit- oder der Streckenanteile innerhalb und außerhalb der von NOx-Grenzwertüberschreitungen betroffenen Kommune entfällt.“
Es müssen somit nicht mehr mindestens 50% der km-Leistung in der betroffenen Kommune erbracht werden. Damit wird den Gegebenheiten der Praxis endlich Rechnung getragen. Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) e.V. hatte im letzten Jahr wiederholt eine entsprechende Änderung der Förderrichtlinie angeregt, um auch die Nachrüstung von Bussen zu ermöglichen, die den ländlichen Raum mit NO2-belasteten Metropolen verbinden. Der bdo freut sich, dass das BMVI diesem Ansinnen nun entsprochen hat.

3. Einsatzdauer
Die vorgegebene Einsatzdauer ist von vier auf zwei Jahre reduziert worden. Um in den Genuss der Förderung zu kommen, muss der Bus nach der Nachrüstung über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren in einer betroffenen Kommune eingesetzt werden.
Bitte beachten Sie, dass die „Haltefrist“ nicht geändert worden ist: nach wie vor darf der Bus mindestens vier Jahre nach dem Zuwendungsbescheid nicht veräußert oder verschrottet werden.
Den Link zur Meldung und zur geänderten Förderrichtlinie finden Sie hier.

Quelle: Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) e.V.

ÖPNV-Themen im Jahr 2020

Ausblick der Fachbeiratsmitglieder der Nahverkehrs-praxis auf die zu erwartenden Entwicklungen in der Verkehrsbranche im Jahr 2020:

Attraktiver und leistungsfähiger Nahverkehr als Grundlage künftiger Mobilität

Wir alle erkennen deutlich, dass unsere mobile Zukunft nicht mehr länger die Fortschreibung der Gegenwart sein kann. Wir benötigen eine offene Diskussionskultur und die Bereitschaft aller Beteiligten, neue Ansätze zu finden. Ein „Weiter so!“ können und sollten wir uns nicht erlauben. Verkehrsverbünde, Verkehrsunternehmen und die anderen Akteure aus der Mobilitätsbranche müssen die Verkehrswende aktiv gestalten – und zwar im Schulterschluss mit der Politik. Bund und Land müssen auf allen Ebenen die nötigen Rand- und Rahmenbedingungen schaffen und mit zusätzlichen Mitteln die Finanzierung der Nahverkehrsleistungen dauerhaft sichern und im erforderlichen Maße in Innovationen, Infrastruktur, Fahrzeuge und Betrieb investieren. Basis eines attraktiven ÖPNV-Angebotes und damit einer zukunftsfähigen Mobilität ist eine leistungsstarke Infrastruktur. Um dem Mobilitätsbedarf auch zukünftig gerecht zu werden und gleichzeitig die anspruchsvollen Klima- und Umweltschutzziele erreichen zu können, spielt leistungsstarker ÖPNV eine ganz zentrale Rolle. Parallel müssen wir die unterschiedlichen Verkehrsträger sinnvoll miteinander kombinieren. Je attraktiver das Angebot ist, desto mehr Leute werden sich für Bus und Bahn entscheiden. Digitale Technologien bieten Chancen. Durch Kombination von Information, Tarif und Vertrieb in Anwendungen für digitale Medien können Fahrgäste einfach und flexibel zwischen den verschiedenen Angeboten und Services wählen. Je besser dies gelingt, desto attraktiver werden öffentliche Mobilitätsangebote für Menschen, bei denen Komfortaspekte im Vordergrund stehen und die bislang noch mit dem Auto unterwegs sind.

ÖPNV ist Kernstück der Verkehrswende

Nachdem im letzten Jahr alle Signale auf grün gestellt sind, kann und muß der ÖPNV nun deutlich Fahrt aufnehmen und durch ein überzeugendes Angebot seinen Beitrag für die dringend notwendige Verkehrswende leisten. Der ÖPNV ist das Kernstück der Verkehrswende. Und, wie erfolgreiche internationale Beispiele zeigen, ist es der klassische ÖPNV. D.h. bei aller Innovationsfreude nicht verzetteln, sondern insbesondere den Schienenausbau und den Erhalt unserer Infrastruktur vorantreiben. Nur dann schaffen wir die Verkehrswende und den Umstieg vom Auto in Bus und Bahn. Die finanziellen Rahmenbedingungen mit der höheren Dotierung des GVFG sind geschaffen, jetzt muß zügig das Planungsrecht entrümpelt und die Standardisierte Bewertung überarbeitet werden. Dann, aber auch nur dann gelingt die Verkehrswende!

Innovationsstreben der letzten Jahre zahlt sich nun aus

Viele Zukunftsthemen wurden im ÖPNV in den letzten Jahren vorangetrieben: Digitalisierung, Barrierefreiheit, Bedarfsorientierung, Vernetzung der Angebote und einige mehr. Wurden die Themen zunächst individuell forciert, fügen sich die Einzelteile nun zusammen und es entstehen Gesamtkonzepte, die echten Mehrwert schaffen.

Neue bedarfsorientierte Angebote, die insbesondere das First-Mile/Last-Mile Problem lösen, werden nicht nur auf- und ausgebaut, sondern auch sinnvoll mit einem leistungsstarken ÖPNV vernetzt. Ergänzend werden individuell nutzbare Mobilitätsangebote wie Bike- und Carsharing oder Ridepooling in smarte Mobilitätskonzepte integriert und attraktive Dienstleistungen an zentralen Mobilitätshubs gebündelt, bspw. Ladestationen für Elektroautos, Paketstationen oder sogar Abholstationen für Bestellungen beim lokalen Einzelhandel. Anmelden muss man sich für all diese Angebote nur einmal. Und bezahlen kann man am Ende des Monats ganz bequem über eine einzige Rechnung. Moderne Buchungs- und Abrechnungssysteme machen Bestpreise und Kombirabatte möglich. Gelegenheitsnutzer können dank des EMV-Standards ihre Bank- und Kreditkarten zur komfortablen Nutzung der Mobilitätsangebote einsetzen – ID-basiertes Ticketing mit offenen Schnittstellen schafft dafür die optimale Basis. Darüber hinaus werden im Sinne der Barrierefreiheit mobilitätseingeschränkte Personen durch zielgerichtete Apps optimal unterstützt. Und nicht zuletzt wird auch das Umland stärker einbezogen. So entstehen Mobility-as-a-Service Angebote, die ihren Namen wirklich verdienen.

Mobilitätswende? Nicht ohne Paradigmenwechsel!

Wachsende Städte, Verkehrskollaps, Klimaziele – die Schlagworte werden auch das kommende Jahr prägen. Lösungsansätze gab es einige und doch wurde die Mobilitätswende als entscheidender Hebel bislang nicht Realität. Wie kann sie also gelingen? Diese Frage bewegt Hamburg intensiv. Denn es gibt einen neuen ambitionierten Ansatz mit konkretem Zukunftsversprechen: Bis 2030 soll jeder Hamburger und jede Hamburgerin innerhalb von fünf Minuten ein öffentliches Mobilitätsangebot erreichen. Ein Fahrplan wird obsolet. Der sogenannte „Hamburg-Takt“ soll die Mobilitätswende bringen.

Bislang lief die Angebotsgestaltung in Hamburg, wie in den meisten deutschen Großstädten, klassisch ökonomisch, nämlich als nachfrageorientierte Leistungsausweitung. Als Alternative zum privaten Pkw, der gerade in Sachen Komfort und Verfügbarkeit punktet, reicht dies nicht. Darum vollzieht die Hansestadt jetzt einen Paradigmenwechsel im ÖPNV hin zur Angebotsoffensive.

Konkret bedeutet dies eine nie dagewesene Ausweitung. Kapazitäten für Busse und Schnellbahnen werden so aufgestockt, dass jede Haltestelle alle 5 Minuten bedient wird. Gleichzeitig wird die Busleistung mit neuen Produkten, Linien und Haltestellen um 96 % erweitert und der Netzausbau der Schnellbahnen weitergetrieben. Und damit nicht genug. Gerade in der dezentralen und heute nur unzureichend durch den ÖPNV erschlossenen Fläche braucht es neue öffentliche Mobilitätsangebote, um den Hamburg-Takt zu verwirklichen. Konkret sollen On-Demand- und Sharing-Angebote zum zentralen Baustein hierfür werden – als Teil des ÖPNV. Ein entscheidendes Umdenken und eine Chance darauf, den privaten Pkw tatsächlich abzulösen.

Schneller denken, radikaler handeln!

Wir müssen viel schneller als bisher entscheiden und agieren, wenn wir auch mit dem Nahverkehr das Klima retten und Feinstaub in den Städten vermeiden wollen. Dazu genügen keine Schaufenster-Projekte, wie drei neue Elektrobusse oder zwei neue Rad- und Busspuren.

  • Wir brauchen mehr Busse und Bahnen, mehr Schienen, mehr Fahrzeuge, – und zwar im Wettbewerb um den ökonomisch und ökologisch besten Ansatz im Lebenszyklus!
  • Wir brauchen komplette Systeme der E-Mobilität, wie wir sie in Wiesbaden begleiten durften, mit Elektrorädern, Ladestationen, E-Bussen und neuen Stadtbahnen.
  • Wir brauchen Ticket- und Tarifmodelle, die Menschen in den ÖPNV locken. NRW macht dazu mit dem Check-In/Be-Out einen Anfang. Ergänzend müssen Tarife helfen, die Busse und Bahnen möglichst optimal auszulasten, kostenlosen Nahverkehr außerhalt der Spitzenzeiten wären ein Anfang.
  •  Wir brauchen Modelle, die billigsten und an besten verfügbaren Plätze im Nahverkehr zu nutzen – die freien Plätze in den Pendler-Autos. Pendler-Pauschalen darf es nur für Fahrgemeinschaften geben.
  • Wir brauchen Pendlerparkplätze und freie Fahrt für Busse neben den Staus.

Das sind einige Anregungen. Wir dürfen nicht nachdenken und reden bis jeder zustimmt, sondern müssen anfangen, Erfahrungen machen und weiter optimieren. Ein Ende der Trippelschritte ist dringend nötig.

2020 markiert den Beginn des „Jahrzehnts des ÖPNV”

2019 war ein Jahr, in dem Weichen in die richtige Richtung gestellt worden sind. Im Klimapaket der Bundesregierung gibt es ein deutliches Signal: hin zu einer attraktiven, nachhaltigen Mobilität für alle. Das stimmt uns bei door2door optimistich, diese Chancen zusammen mit den Verantwortlichen bei den Verkehrsunternehmen und Kommunen gestalten zu können. Aber die Gestaltung wird nur gelingen mit einem klaren Bekenntnis zu mehr Mut im Handeln und schnelleren Entscheidungen zugunsten klimafreundlicher und effizienter Mobilität. Eine Verdopplung der Fahrgastzahlen ist unter den gegebenen Umständen sonst nicht umzusetzen. Infrastruktur und Systeme sind im urbanen Raum an der Belastungsgrenze, während der ländliche Raum schlecht angebunden ist. Die Digitalisierung des ÖPNV bedeutet riesige Chancen für ganz Deutschland, da alle Räume von ihr profitieren. Die Stadt durch tief in die bestehenden Systeme integrierte zusätzliche digitale Angebote wie On-Demand Ridepooling, der ländliche Raum durch Ausweitung der sporadisch vorhandenen Verkehre durch „Mobilität auf Abruf” per App oder Telefon. Ich freue mich sehr darauf, diese Chancen aktiv in 2020 mit den Verkehrsunternehmen dieses Landes zu gestalten.

2019 hat sich noch etwas klar herauskristallisiert: Der Raum für Daseinsvorsorge als Kern öffentlichen Nahverkehrs ist deutlich größer geworden. Private Unternehmen ziehen sich aus konjunkturellen oder strategischen Gründen aus dem Feld der Mobilitätsdienstleister genau so schnell zurück wie sie dort erst vor wenigen Jahren gestartet sind. Es wäre also fatal, wenn sich die Kommunen darauf verließen, dass nachhaltige Mobilität durch „den Markt” gelingen kann. Es braucht vielmehr entschlossenes Handeln gerade der öffentlichen Akteure, um durch signifikante Invesitionen in neue Angebote und geeignete Regulierung den ÖPNV zu stärken – und damit das Jahrzehnt einzuleiten, an dessen Ende eben dieser ÖPNV die Verkehrswende geleistet haben wird.

Verpasste Chancen drohen

Manchmal haben es die Menschen in anderen Ländern schon gut. Die US-Bürger zum Beispiel. Bei ihnen ist der Begriff „opportunity costs“ gut bekannt und vielfach genutzt. Hierzulande bleibt meist Erklärungsbedarf. Gemeint sind ja nicht „Ausgaben“, die direkt greifbar in Bilanzen auftauchen. Diese „Kosten“ resultieren vielmehr daraus, dass vorhandene Möglichkeiten ungenutzt blieben, weil stattdessen Anderes zur Umsetzung kam. Es geht im Grunde um unsichtbar verpasste Chancen.

Für mich schwebt dieses Bild drohend über den Entwicklungen, wie ich sie mir für 2020 ausmale. Ganz allgemein sind solche Kosten etwa bei der Klimapolitik zu befürchten. Hier wurden zweifellos positive Entwicklungen lanciert – zum Vorteil von Umwelt und öffentlichem Personenverkehr. Aber eben auch nicht alle, die es sein sollten. Der Busverkehr könnte deutlich mehr Rückenwind erhalten. Die Klimaziele werden mit den bisher beschlossenen Maßnahmen jedenfalls nicht erreicht.

Verpasste Chancen drohen auch bei der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes. Unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen werden sicherlich auch in Zukunft noch Busse durch Deutschland rollen. Aber es droht, dass wichtige – ja: entscheidende – Potenziale ungenutzt bleiben. Für einen leistungsstarken, innovativen und hocheffizienten ÖPNV braucht es passgenaue Rahmenbedingungen, die ökologische und ökonomische Überlegungen sinnvoll verknüpfen. Noch ist nicht absehbar, dass es so kommt. Ich hoffe daher für die Busbranche, das Weltklima und die Mobilität der Menschen im Land, dass wir am Ende des Jahres 2020 nicht Reue über viel zu hohe „opportunity costs“ spüren werden. Wir wollen darauf hinarbeiten.

Konsequenten Realisierung einer echten Verkehrswende

Vor dem Hintergrund einer Veränderung zu einer nachhaltigen und klimafreundlicheren Gesellschaft erfährt der ÖPNV weiterhin unglaubliche Imagegewinne und Bedeutungssteigerungen. Deshalb erwarten wir auch eine entsprechend zunehmende Ernsthaftigkeit der Diskussion zur konsequenten Realisierung einer echten Verkehrswende – vor allem in unseren Städten, aber auch im Regionalbereich. Dies erfordert nicht nur deutliche Kapazitätserweiterungen im ÖPNV, sondern auch die dringend notwendige Umsetzung von nachhaltigen Finanzierungsinstrumenten. Diese sollten nicht nur die Bezuschussung von Investitionen umfassen, sondern auch die Finanzierung der Folgekosten und der operativen Betriebskosten berücksichtigen. Denn eines steht außer Frage: Die so oft und von so vielen beschworene ernsthafte Verkehrswende wird weder durch eine weiter steigende Nutzerfinanzierung noch durch heutige kommunale Finanzierungsinstrumente allein zu bewerkstelligen sein ! Eine konsequente Veränderung der finanziellen Rahmenbedingungen im Verkehr ist deshalb die zentrale Herausforderung. Dabei sind auch bestehende Finanzierungsinstrumente der öffentlichen Hand für andere Verkehrsmittel (z.B. der Steuervorteil für Diesel PKW) zu prüfen und im Sinne einer nachhaltigen Verkehrspolitik anzupassen.

Parallel muss eine starke Vereinfachung des Zugangs zu einem nahtlosen öffentlichen Verkehrsangebot aus Linienverkehr und flexiblen, ergänzenden Mobilitätsangeboten (Sharing, On-demand) erfolgen. Wir erwarten hier die möglichst vollständige Integration aller multimodalen Nutzungsformen entlang der gesamten „user journey“ und die damit verbundene Weiterentwicklung der heutigen ÖPNV Unternehmen zu multimodalen, digitalen Mobilitätsdienstleistern als Partner der Städte mit zunehmenden umfangreichen Vernetzungen zu anderen ÖPNV Unternehmen und privaten Dienstleistern.

Noch nie so viel Rückenwind wie jetzt

Der öffentliche Nahverkehr ist regional und bundesweit in aller Munde. Von politischer Seite aus gab es noch nie so viel Rückenwind für unsere Branche und den angestrebten Ausbau der Infrastruktur wie jetzt – daran wird sich auch 2020 sicherlich nichts ändern.

Interessant ist, dass dieser Rückenwind aktuell über so gut wie alle Parteigrenzen hinweg festzustellen ist. Die Entscheidungsträger haben erkannt, dass der ÖPNV angesichts des Klimawandels ein elementarer Baustein ist, um diesem effektiv entgegenzutreten.

Die deutliche Aufstockung der GVFG- und LGVFG-Fördermittel in vielen Bundesländern ermöglicht es uns als kommunalen Verkehrsunternehmen, wichtige zusätzliche Bauprojekte anzupacken und unsere Bahn-Infrastruktur vor Ort kräftig zu sanieren. Dieser neue Status quo ist eine echte Chance für unsere Branche.

Damit alle angedachten Projekte auch tatsächlich zügig und reibungslos umgesetzt werden können, muss die Politik flankierend die Genehmigungsverfahren vereinfachen beschleunigen. Hierfür ist es unerlässlich an den zuständigen Stellen die personellen Kapazitäten zu erhöhen – sofern diese noch nicht im ausreichenden Maß vorhanden sind.

Die kommenden Jahre werden somit von einem starken Ausbau der Streckennetze geprägt sein. Doch auch in Zeiten großer Chancen sollte man die möglichen Risiken einer übermäßigen Bautätigkeit nicht aus den Augen verlieren. Denn angesichts der zahlreichen Maßnahmen wird es auch immer darum gehen, die Balance zwischen einem intensiven Infrastrukturausbau und einem gut nutzbaren, attraktiven Nahverkehrsangebot für unsere Fahrgäste zu halten. Uns steht in jedem Fall ein spannendes Jahrzehnt bevor.

Probleme der Gegenwart

Aktuell beschäftigen uns als Gesellschaft einige Herausforderungen. Die EU hat den Klimanotstand ausgerufen, unsere Umwelt benötigt besonderen Schutz. Und für eine stetig wachsende Bevölkerung, besonders im städtischen Bereich, muss nach nachhaltige Lösungen gesucht werden. Wenn wir aber heute schon im Hinblick auf morgen handeln, können wir uns eine grüne Zukunft sichern.

Lösungen der Zukunft

Für beide genannten Probleme sind die Wiener Linien als öffentliches Verkehrsunternehmen Teil der Lösung. Bereits jetzt legen die WienerInnen rund 38 Prozent ihrer Wege mit den Öffis zurück. Darauf sind wir stolz, doch wir ruhen uns nicht auf unseren Lorbeeren aus. Um unsere Fahrgäste zur bewussten Entscheidung für den umweltfreundlichen ÖPNV zu motivieren, verbessern wir unser Angebot immer weiter, zum Beispiel durch den Ausbau unseres Netzes. Wir verlängern unsere Straßenbahnlinien, verdichten die Intervalle und setzen mit dem Linienkreuz U2xU5 das größte Umweltschutz-Projekt der nächsten Jahre um. Wir bieten unseren Fahrgästen mehrere Optionen für ihre Wege durch die Stadt: Mit den WienMobil-Stationen verknüpfen wir die Öffis mit diversen Sharing-Angeboten, Taxistellplätzen und E-Ladestationen. Dieses Angebot wird in den kommenden Jahren ausgebaut.

Auch bei unseren Fahrzeugen ist Innovation ein wichtiges Schlagwort. Im Frühjahr 2020 werden wir erstmals Wasserstoff-Busse testen. Jetzt schon nutzen wir bei vielen unserer Busse umweltfreundliche Antriebsstoffe wie Strom, und werden dieser Entwicklung weiter folgen. Auch bei der U-Bahn erwartet uns Großes – mit dem X-Wagen bekommen wir einen modernen, barrierefreien und vollautomatischen Zug für die neue Linie U5.

2020 wird das Jahr der Investition in die Bus-und Bahn-Infrastruktur – Ausgestaltung der Gesetze und Planungsbeschleunigung entscheidende Faktoren

Viele Jahre haben wir mit der Politik gerungen, Veränderungen eingefordert. Jetzt sind sie da. Der Bund hat entscheidende Gesetze auf den Weg gebracht. Das Jahr 2020 muss darum der Startpunkt für ein Investitionsprogramm in die Bus- und Bahn-Infrastruktur werden.

Die schrittweise Aufstockung der GVFG -Mittel auf zwei Milliarden Euro im Jahr 2025 und die Ausweitung der Förderkulisse legen die finanzielle Grundlage für den Ausbau und die Grunderneuerung der Schieneninfrastruktur in den Städten. Jetzt, wo das Geld nicht mehr der limitierende Faktor ist, ist die Branche in der Verantwortung, schnellstmöglich zu planen und zu bauen. Sorge bereitet aktuell die konkrete Ausgestaltung – Stichwort „eigener Bahnkörper“ – sowie die bislang nicht eingeleitete Planungsbeschleunigung für die städtische Schiene. Der Fachkräftemangel wird sich allerdings sowohl auf Unternehmens- als auch auf Genehmigungsseite bemerkbar machen.

Auch die Förderungen zur Dekarbonisierung des Bussektors in Höhe von 450 Millionen Euro bis 2023 müssen von der Branche, so gut es geht, für Investitionen abgerufen werden. Der E-Bus wird sich immer mehr bemerkbar machen, die technische Entwicklung stimmt zuversichtlich. Die Umstellung der Flotten und der Infrastruktur wird trotzdem ein Kraftakt. Die gute finanzielle Situation der Bundesländer und die weitere Aufstockung der Regionalisierungsmittel sollten auch dem Bussystem zu Gute kommen. Hierbei wären neue Fahrzeugbeschaffungen, Angebotserweiterungen, Schnellbus- und BRT-Konzepte in den Landesförderungen zu berücksichtigen. Nachholbedarf besteht bei der Förderung zur Standardisierung und Vernetzung von digitalen Angeboten, um die Zugangsbarriere für den Fahrgast weiter abzubauen. Das Jahr 2020 könnte der Wendepunkt auf dem langen Weg zur Senkung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor werden.

Chancen und Herausforderungen nutzen

Aktuell ist wirklich viel los in der ÖPNV-Branche. Besonders die angestrebte Verkehrs- und Mobilitätswende als ein wichtiger Lösungsansatz der sich immer stärker abzeichnenden Klima- und Umweltproblematik inkl. des kaum noch beherrschbaren Verkehrschaos auf den Straßen führt zu noch nie dagewesenen Herausforderungen. Der Bund stellt dafür deshalb mehr denn je Finanzmittel, so auch für den ÖPNV, zur Verfügung – so z.B. für neue Mobilität, Digitalisierung, E-Antriebe, mehr Angebot und Leistung sowie für dringliche Nachholbedarfe und Maßnahmen bei der Infrastruktur. Eigentlich alles keine schlechten Voraussetzungen für den ÖPNV und für die Mobilitätsentwicklung.

Dennoch, viele aktuelle und zukünftige Herausforderungen müssen gleichzeitig angegangen werden. Und neben Experten und Gesellschaft ist dabei besonders die Politik gefordert. Stichworte sind u.a. unerträglich lange Planungs- und Genehmigungsprozesse sowie bei Bundeszuschüssen für Neubauvorhaben inadäquate Bewertungsverfahren. Busse, Straßen-, U- und S-Bahnen in den Städten sind vielfach bereits an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt, dagegen fehlen Angebote in der Fläche. Ebenso fehlt zunehmend im ÖPNV qualifiziertes Personal, besonders Fahrpersonal. Ein größeres Angebot braucht aber zusätzliches Personal. Insgesamt ist die Lage jedoch viel komplexer als sie scheint und schnelle Abhilfe und Lösungen dagegen nicht wirklich in Sicht.

Alle diese Themen sind elementar wichtig für die Mobilitätswende. Deshalb müssen diese weiterhin wesentliche Schwerpunkte der Nahverkehrspraxis bleiben, mit durchaus kontroversen Beiträgen und Beispielen unterschiedlichster Autoren.

Wachstumsstrategie muss das Handeln im ÖPNV bestimmen

Der Öffentliche Verkehr ist ein wesentlicher Baustein für das Erreichen der verkehrsbedingten Klima-ziele, so dass in den kommenden Jahren eine Wachstumsstrategie das Handeln im Öffentlichen Verkehr bestimmen muss. Da der erforderliche Aus- und Neubau der Infrastruktur mehrere Jahre dauern wird, sind kurz- und mittelfristige Angebotsausweitungen ohne zusätzliche Infrastruktur notwendig, d. h. vor allem Taktverdichtungen und zusätzliche Leistungen im Busverkehr. Dabei wird eine große Herausforderung darin liegen, die Anzahl der Beschäftigten bei Verkehrsunternehmen und Aufgabenträgern zu erhöhen – ohne zusätzliches Personal und dessen Finanzierung wird das Wachstum im ÖV nicht bewältigt werden können.

Hinsichtlich Tarif und Vertrieb sollte der Fokus stärker auf Selten- und Gelegenheitskunden gesetzt werden, die ein deutlich höheres Potential für die Reduktion von Pkw-Fahrten aufweisen als Stammkunden. Das heißt beispielsweise, dass dem Ansatz einer BahnCard im Nahverkehr mit einem 50%-Rabatt gegenüber einen 365-Euro-Ticket dem Vorzug gegeben werden sollte. Pilotversuche im Rhein-Main- und Nordhessischen Verkehrsverbund haben gezeigt, dass damit die Gruppe der Gelegenheitskunden erreicht werden kann und hohe Nachfragesteigerungen möglich sind.
Darüber hinaus sollten vertriebliche und tarifliche Zugangsbarrieren durch Einführung bzw. Ausbau von E-Ticketing-Systemen und ÖV-übergreifenden Plattformen weiter reduziert werden.

Der ÖPNV hat Schlüsselfunktion für die Zukunft

Das Jahr 2019 geht zu Ende, 2020 steht bevor. Es ist zugleich der Beginn eines neuen Jahrzehnts. Der Blick geht in diesen Tagen nicht nur auf das Jahr 2020, sondern auch auf die Entwicklungen und Herausforderungen des neuen Jahrzehnts. Die Welt wird 2030 sehr viel anders aussehen als 2020.

Das gilt auch für den ÖPNV und die Mobilität insgesamt. Urbanisierung und Klimawandel sind die beiden ganz großen Themen. Beide Themen stellen für sich genommen schon große Herausforderungen dar, ihre Gleichzeitigkeit indes stellt extrem hohe Anforderungen an die Infrastrukturinvestitionen im Bereich des ÖPNV.

Die zunehmende Urbanisierung hat bereits heute zu stark steigenden Mieten in großen Metropolregionen geführt. Wohnungsbau alleine wird das Problem nicht lösen, denn die Nachverdichtung von Städten erreicht bereits ihre Grenzen. Vor diesem Hintergrund wird die noch bessere Anbindung der Peripherie an den Kern einer Metropolregion durch den ÖPNV eine der zentralen Aufgaben der nächsten Jahre sein, auch um mehr Menschen den Zugang zu den Netzwerken und öffentlichen Gütern von Städten zu ermöglichen.

Das zweite große Thema ist die Klimaneutralität im Verkehr, zu der der ÖPNV einen wesentlichen, geradezu systemrelevanten Beitrag liefern kann und muss. Erst die Schaffung von Alternativen zum Individualverkehr kann schnelle CO2-Reduktionsbeiträge liefern. Noch wichtiger als günstige Preise sind der Ausbau und der Takt des ÖPNV.

In den kommenden Jahren werden die Digitalisierung als das wichtigste Werkzeug eines vernetzten ÖPNV sowie Infrastrukturinvestitionen die zentralen strategischen Aufgaben sein. Trotz und gerade wegen der drohenden konjunkturellen Abschwächung im kommenden Jahr darf an diesen Zukunftsaufgaben nicht gespart werden.

Bevölkerung unterschätzt Potenziale des automatisierten Fahrens

Die Ergebnisse der aktuellen VDI-Studie “Automatisiertes Fahren in der Smart City” zeigen, dass automatisiertes Fahren erhebliche Verbesserungen in den Bereichen Klimaschutz, Verkehrssicherheit und in Form von adäquaten Mobilitätskonzepten nach sich zieht. Die Bevölkerung steht dem jedoch sehr skeptisch gegenüber. “Eine breite gesellschaftliche Akzeptanz ist allerdings die Grundvoraussetzung für den künftigen Einsatz automatisierter Fahrzeuge”, sagte VDI-Präsident Dr.-Ing. Volker Kefer bei der heutigen Vorstellung der Studie in Berlin. “Wenn die gesellschaftliche Aufklärung und Information über tatsächliche Chancen und Risiken fehlt, wird das automatisierte Fahren scheitern.”

CO2-Potenziale autonomer Fahrzeuge von vielen verkannt

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass die Bevölkerung die Klimapotenziale des automatisierten Fahrens häufig unterschätzt. Lediglich 42 Prozent der 1.000 befragten Bundesbürger gehen davon aus, dass der CO2-Ausstoß durch selbstfahrende Fahrzeuge verringert werden kann. Auch das Potenzial von selbstfahrenden Fahrzeugen in Hinblick auf Geldersparnis – zum Beispiel durch einen geringeren Kraftstoffverbrauch – wird von der Mehrheit der Befragten (61 Prozent) als gering oder sogar sehr gering eingeschätzt.

Die fachliche Sicht auf die Bewertung der klimaschonenden Effekte ist hingegen deutlich positiver. Je nach Fahrweise der Fahrerinnen oder Fahrer sollten sich Kraftstoffeinsparungen von 15 Prozent und mehr realisieren lassen. Grund hierfür sind vor allem Möglichkeiten der intelligenten Routenführung und eine dynamische Anpassung der Geschwindigkeit, mit denen das Fahrverhalten in bestimmten Verkehrssituationen gezielt optimiert werden kann – zum Beispiel beim Anfahren im Stop-and-Go-Verkehr, wo der Kraftstoffverbrauch besonders hoch ist.

Angst vor Hacker-Angriffen überwiegt möglichen Sicherheitsgewinn

Zweiter zentraler Punkt der Studie zielt auf die Verkehrssicherheit ab. Auf fachlicher Ebene wird eine deutliche Steigerung der Verkehrssicherheit prognostiziert, während knapp die Hälfte der befragten Bevölkerung an einem Sicherheitsgewinn eher zweifelt. Verschiedene Studien sagen, dass 91 Prozent aller Unfälle in Deutschland hauptsächlich auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen sind. Durch den vermehrten Einsatz beispielsweise von Antiblockiersystemen, elektronischen Stabilitätsprogrammen oder dem Abstandsregeltempomat ist bereits eine deutliche Minderung der Unfallzahlen sichtbar.

Die Bürgerumfrage zeigt jedoch, dass der von fachlichen Expertinnen und Experten erwartete Sicherheitsgewinn der Bevölkerung kaum bewusst ist: Lediglich 51 Prozent der Befragten sind davon überzeugt, dass die Sicherheit im Straßenverkehr durch automatisierte Fahrzeuge erhöht werden könnte. Nur die 18- bis 29-Jährigen gehen mit immerhin 73 Prozent von weniger Unfällen aus, wenn selbstfahrende Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind. Ein Grund für diese negative Einschätzung der Bevölkerung könnte u. a. in einer großen Angst vor Hacker-Angriffen liegen. So stimmten acht von zehn Befragten der Aussage zu, dass selbstfahrende Fahrzeuge Ziel von Hacker-Angriffen sein könnten.

Zwei Drittel der Bevölkerung gegen fahrerlosen ÖPNV

Dritte zentrale Erkenntnis der Studie ist, dass nur jede vierte befragte Person es begrüßen würde, wenn der ÖPNV in Zukunft komplett ohne Fahrerinnen und Fahrer betrieben würde. Die Mehrheit der Befragten – 68 Prozent – spricht sich gegen einen fahrerlosen Nahverkehr aus. Besonders skeptisch zeigen sich die älteren Befragten mit einem Alter ab 60 Jahren. “Fahrerlose Fahrzeuge benötigen nach wie vor Ausnahmegenehmigungen und werden in der Regel nur mit einer Begleitperson bzw. Sicherheitsfahrer betrieben”, kommentiert Prof. Dr.-Ing. Lutz Eckstein, Vorsitzender der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik. “Dieser wird mittelfristig in einer Leitwarte sitzen und wie ein Fluglotse für mehrere Fahrzeuge zuständig sein.”

Ein starker ÖPNV ist ein zentrales Instrument, wenn es darum geht, die Kapazitäten der Verkehrssysteme mit Hilfe von selbstfahrenden Fahrzeugen zu erhöhen. Umso wichtiger sind daher Anreize, mit denen die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs gesteigert werden kann. Ein erster Schritt könnte dabei eine erhebliche Preissenkung von Bus- und Bahnfahrten sein.

Quelle: VDI

Bundesland NRW entlastet Kommunen bei ÖPNV-Investitionen

Damit mehr Menschen Bus und Bahn nutzen, muss das Angebot im ÖPNV attraktiver werden. NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst hat deswegen Vertreter von Kommunen, Kreisen und Verkehrsunternehmen zur Kommunalkonferenz ÖPNV eingeladen, um über die deutlich verbesserten Fördermöglichkeiten in diesem Bereich zu informieren.

Derzeit überarbeitet der Bund das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG). Neben einer deutlichen Aufstockung der Förderung auf eine Milliarde Euro jährlich ab 2021 und auf zwei Milliarden Euro ab 2025 sieht der Bund eine deutliche Erhöhung der Fördersätze und -quoten sowie eine Ausweitung der Fördertatbestände vor.
Das Land Nordrhein-Westfalen stockt die Fördersätze des Bundes zudem von 60 auf 95 Prozent auf. „Damit halbiert sich der kommunale Anteil an den Baukosten von derzeit 10 auf 5 Prozent“, erläuterte Wüst.
„Wir wollen, dass die Kommunen in Nordrhein-Westfalen deutlich stärker als bisher von diesen Fördermöglichkeiten profitieren. Dazu brauchen wir mehr kommunale Planungen für Stadt- und Straßenbahnprojekte, aber auch für Bahnhöfe, Haltestellen oder Park&Ride-Anlagen. Die heutige Konferenz ist der Auftakt zu weiteren Gesprächen, in denen wir gemeinsam Projekte identifizieren wollen, die wir beim Bund zur Förderung anmelden. Damit können die Planungen baldmöglichst aufgenommen werden“, sagte Wüst bei der Kommunalkonferenz.

Das Landeskabinett hat beschlossen, dass das Land bis 2031 mindestens 600 Millionen Euro Kofinanzierungsmittel für Projekte des GVFG zur Verfügung stellt. Damit können mindestens zwei Milliarden Euro Bundesmittel für Nordrhein-Westfalen eingeworben werden. Das ist ein weiterer wichtiger Baustein der ÖPNV-Offensive des Landes, die den ÖPNV attraktiver, leistungsfähiger, zuverlässiger und flexibler macht.

Quelle: Verkehrsministerium Nordrhein-Westfalen

E-Scooter-Unfälle häufen sich in NRW

Die Polizei in Nordrhein-Westfalen hat in den ersten drei Monaten seit Zulassung der E-Scooter bereits 116 meldepflichtige Unfälle mit diesen Fahrzeugen erfasst. Die Zahl setzt sich nur aus gravierenden Unfällen zusammen, bei denen es zu Todesfällen, schweren Körperverletzungen oder erheblichen Sachschäden gekommen ist. Dazu kommt eine wahrscheinlich erhebliche Dunkelziffer an Vorfällen.

Quelle: Westfälische Nachrichten