Unterschiedliche Meinungen zur Verkehrs-Klimabilanz

Verkehrssektor hat seine Klimaziele erreicht

Bundesminister Andreas Scheuer: „Gutes Klima geht mit Innovation und Förderung! Die neuen Emissionsdaten des Umwelt-Bundesamtes zeigen, dass der Verkehrssektor seine Klimaziele im Jahr 2020 erreicht hat. Diese positiven Zahlen sind auch sicher auf die Corona-bedingte Reduzierung der Verkehrsleistung in Deutschland zurückzuführen. Aber eben nicht ausschließlich. Die CO2-Zahlen auch in anderen Bereichen machen deutlich, dass die Maßnahmen des Klimaschutzprogramms 2030 Wirkungen zeigen. Der reduzierte Kraftstoffverbrauch ist auf die dynamische Entwicklung der Elektromobilität im Jahre 2020 zurückzuführen.
Wir werden sehr genau prüfen, wie groß der Corona-Effekt durch vermehrte Arbeit im Homeoffice war und ob sich der Trend langfristig verstetigen wird. An der Notwendigkeit von ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen hat sich aber nichts geändert. Wir werden uns keinesfalls auf diesen Zahlen ausruhen. Die Maßnahmen aus dem Klimaschutzplan 2030 setzen wir weiter konsequent um. Ziel bleibt eine klimafreundliche und bezahlbare Mobilität.“

Sachinformationen:

• Das Umwelt-Bundesamt hat die Jahresemissionen für das Jahr 2020 (für alle Sektoren) veröffentlicht und dem Expertenrat für Klimafragen zur Prüfung übermittelt.

• Das Bundes-Klimaschutzgesetz sieht für den Sektor Verkehr im Jahr 2020 eine Jahresemissionsmenge von 150 Mio. Tonnen CO2 verbindlich vor. 2019 betrug die Jahresemissionsmenge 163 Mio. Tonnen CO2.

• Die Treibhausgasemissionen des Verkehrs liegen im Jahr 2020 mit 146 Mio. Tonnen CO2 um 19 Mio. Tonnen niedriger als im Vorjahr (minus 11,4 Prozent).

Quelle: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)

Klimabilanz des Verkehrs ist „erschreckend“

Die Klimabilanz des deutschen Verkehrssektors fällt nach Einschätzung der Allianz pro Schiene „erschreckend“ aus. „Ohne den Sondereffekt durch die Coronakrise gibt es im Verkehr lediglich eine echte Minderung der Treibhausgasemissionen um weniger als zwei Millionen Tonnen seit 1990“, sagte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, am Dienstag in Berlin. „Ohne Corona-Effekte hat der Verkehr seine Klimalast in drei Jahrzehnten also um 0,8 Prozent reduziert. Das Ziel bis 2030 für den Verkehr ist aber 42 Prozent weniger als 1990.“
Positiv ausgewirkt hat sich nach den Berechnungen des Umweltbundesamtes vor allem der Rückgang des Autoverkehrs im vergangenen Jahr. „Damit zeigt diese Klimabilanz diesmal noch deutlicher als in den Vorjahren, dass der Klimaschutz nur mit einer Verkehrswende und einem anderen Mix der Verkehrsträger vorankommt“, so Flege weiter. „Umwelt und Klima haben vom Lockdown profitiert. Wer Mobilität aber nicht dauerhaft so massiv einschränken möchte wie in der Pandemie, muss das energieeffiziente Verkehrsmittel Schiene stärker nutzen. Nur so können wir eine bald wieder wachsende Mobilität mit einer sinkenden Klimabelastung in Einklang bringen.“  
Flege wies mit Blick auf die aktuellen Zahlen zudem auf die Vorgaben des Bundes-Klimaschutzgesetzes hin. Dies setzt für 2020 im Verkehr eine Obergrenze von 150 Millionen Tonnen Kohlendioxid, die in den folgenden Jahren kontinuierlich weiter sinkt. Aus der Bilanz des Umweltbundesamtes aber ergibt sich, dass 2020 der Verkehr ohne Corona-Effekte bei rund 163,5 Millionen Tonnen CO2 gelegen hätte. Nur durch die Auswirkungen der Pandemie wurde dieser Wert mit 146 Millionen Tonnen CO2 tatsächlich erreicht beziehungsweise leicht unterschritten. Ohne strukturelle Veränderungen droht also nach dem Ende der Corona-Sondereffekte im Verkehr eine deutliche Verfehlung der gesetzlichen Vorgaben.

Quelle: Allianz pro Schiene

Massive zusätzliche Investitionen in den ÖPNV notwendig

Im Rahmen der heutigen VDV-Elektrobuskonferenz wurde die unabhängige, vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) beauftragte Studie „Das Jahrzehnt des Busses“ veröffentlicht. Die von PricewaterhouseCoopers (PWC) unter Mitarbeit von Intraplan Consult erstellte Studie zeigt, dass 2030 etwa 1,8 Milliarden Euro zusätzlich in den Ausbau eines umweltfreundlichen und leistungsstarken Busverkehrs investiert werden muss. „Das Ergebnis belegt, dass vor allem über Kapazitätserweiterungen und zusätzliche Angebote im Linienbusverkehr die Attraktivität des ÖPNV gesteigert wird und damit die nötigen Fahrgastzuwächse in den kommenden Jahren realisiert werden können. Um bis 2030 den ehrgeizigen Beitrag des ÖPNV zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu schaffen, sind allerdings massive zusätzliche Investitionen notwendig“, so VDV-Vizepräsident Werner Overkamp.
Nur noch neun Jahre bleiben, um durch eine Mobilitätswende vor allem in den emissionsbelasteten Städten die Luftreinhaltungs- und Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen. Ab 2030 drohen der Bundesrepublik Deutschland ansonsten hohen Milliardenstrafen seitens der EU. Darum sind ein schneller Ausbau des umweltfreundlichen Nahverkehrs und eine deutliche Erhöhung der ÖPNV-Kapazitäten zwingend erforderlich, damit mehr Menschen mit Bus und Bahn fahren. Den meisten Straßen-, Stadt- und U-Bahn-Projekte gehen jedoch oft jahrelange Planungs- und Genehmigungsprozesse voraus, so dass kurzfristig vor allem eine Kapazitätserweiterung und zusätzliche Angebote im Busverkehr helfen können, um den ÖPNV insgesamt attraktiver und leistungsstärker zu machen. „Der Bus ist seit jeher das Rückgrat eines funktionierenden Nahverkehrssystems. Und mit Blick auf die wenigen Jahre, die wir nur noch haben, um bis 2030 die Klimaschutzziele zu erreichen, müssen wir gerade bei den Linienbussen jetzt schnell und umfangreich die Angebote erweitern. Gleichzeitig sollen die Busse auch durch umfangreiche Beschaffungen von Fahrzeugen mit besonders emissionsarmen Antrieben (Elektro oder Wasserstoff) noch umweltfreundlicher werden. „All das wurde in der nun vorliegenden Studie untersucht und am Ende finanziell bewertet. Wir haben damit jetzt eine sehr gute Grundlage, um gemeinsam mit den politischen Entscheidern darüber zu sprechen, wie das umgesetzt werden kann. Denn aus eigener Kraft können die Verkehrsunternehmen diese zusätzlichen Investitionen nicht stemmen“, so Overkamp weiter.
Mit den zusätzlichen Investitionen von 1,8 Milliarden Euro würden sich laut Gutachter durch Kapazitätserweiterungen und zusätzliche Angebote im Busbereich bis 2030 rund zehn Milliarden Personenkilometer vom Individualverkehr auf den ÖPNV verlagern lassen. Die Verkehrsleistung der Busverkehre würde um 26,4 Prozent steigen, die Betriebsleistung sogar um rund 30 Prozent. Ein Schwerpunkt läge dabei auf den ländlichen Räumen, in denen eine deutliche Angebotsausweitung notwendig ist, um Menschen vom Umstieg zu überzeugen. „In den Großstädten und Ballungsräumen geht es vor allem darum, mehr größere Busse, also z. B. Gelenkbusse, anzubieten, um mehr Menschen zu befördern. Außerhalb der Städte geht es eher darum, das Angebot insgesamt auszubauen, also dichtere Takte, mehr Fahrzeuge etc. Dabei spielen auch flexiblere Bedienformen wie On-Demand-Verkehre in kleineren Fahrzeugen eine wichtige Rolle, um das Angebot attraktiver zu machen“, so Overkamp. 
Die Studie „Das Jahrzehnt des Busses“ kommt unter der Berücksichtigung der zu erreichenden Klimaschutzziele im Verkehrssektor und unter den sich verändernden Rahmenbedingungen bis 2030 zu der Schlussfolgerung: „Der Busverkehr kann eine zentrale Rolle bei der erfolgreichen Verkehrswende und bei der Erreichung der aktuell geltenden Klimaschutzziele bis zum Jahr 2030 einnehmen. Dies erfordert aber einen umfangreichen Ausbau des Verkehrsangebots in hoher Qualität mit effizienten und innovativen Konzepten.“
Die Studie kann in der Langfassung unter presse@vdv.de angefordert werden.

Quelle: Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV)

Print Friendly, PDF & Email
Tags: No tags

Comments are closed.