Als zuständiger Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) hat der Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) am 29. April 2024 seine politischen Entscheidungsträger auf einer Informationsveranstaltung in der Stadthalle Kamen über die Situation bei der Eurobahn informiert. Das Unternehmen hatte am 8. April aufgrund von akutem Personalmangel sein Angebot deutlich einschränken müssen. Der Einladung folgten rund 90 Vertreterinnen und Vertreter der den Zweckverband tragenden Gebietskörperschaften. Mit 30 Prozent Marktanteil ist die Eurobahn der größte Leistungserbringer im NWL-Gebiet.
„Unser Ziel ist es, den Fahrgästen wieder verlässliche und vollumfängliche Verkehrsleistungen anzubieten und gleichzeitig für die Mitarbeitenden der Eurobahn eine langfristige, sichere Perspektive zu schaffen“, sagte Joachim Künzel, Geschäftsführer des NWL, vor den Teilnehmenden. Die Eurobahn als wichtiger Betreiber von SPNV-Leistungen in Westfalen-Lippe beschäftigt rund 900 Mitarbeitende in Nordrhein-Westfalen. In Folge des Austritts der ehemaligen französischen Muttergesellschaft Keolis aus dem deutschen Markt vor gut zwei Jahren befinde sich das Unternehmen weiterhin in einer herausfordernden betrieblichen Situation, so Joachim Künzel weiter.
Schon mit dem Rückzug von Keolis aus der Eurobahn Ende 2021 verfolgte der NWL in Abstimmung mit dem damaligen NRW-Verkehrsministerium und den weiteren betroffenen Aufgabenträgern Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen und Provinz Overijssel das Ziel, die langfristige Sicherung des Betriebs der Eurobahn-Leistungen über den Verkauf an einen neuen Gesellschafter zu erreichen.
Unter anderem durch die allgemeine Verteuerung der Preise, etwa im Energiesektor, der Einführung des Deutschlandtickets und durch den massiven Fachkräftemangel haben alle Verkehrsunternehmen und damit auch die SPNV-Branche insgesamt derzeit mit Finanzierungsherausforderungen zu kämpfen. Diese treffen aktuell auch die Eurobahn, die trotz umfangreicher interner Anstrengungen nicht ausreichend viele Triebfahrzeugführerinnen und Triebfahrzeugführer mobilisieren kann und deshalb nicht mehr den vertraglich vereinbarten Leistungsumfang auf die Schiene bringt. Dies wiederum hat unmittelbare Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation des Unternehmens – zum einen, weil der NWL nicht erbrachte Leistungen nicht vergütet, zum anderen, weil darüber hinaus vertragliche Strafzahlungen anfallen.
„Jetzt ist gemeinsames Handeln gefragt, um eine langfristige Perspektive zu sichern“, sagte Matthias Goeken, Mitglied des NRW-Landtags und Vorsitzender der Verbandsversammlung des NWL. „Unsere gemeinsame Aufgabe und Verpflichtung ist es, rechtzeitig die beste Handlungsoption für die Fahrgäste, aber auch für die vielen Mitarbeitenden der Eurobahn zu suchen.“ Entscheidend sei in diesem Zusammenhang, eine Lösung zu finden, mit der dauerhaft Leistungsausfälle mit den entsprechenden wirtschaftlichen Folgen vermieden werden. Denn nur die Zuverlässigkeit des Angebots stärke das Vertrauen der Menschen ins System „Schienenpersonenverkehr“ in Westfalen-Lippe, sichere die damit eng verbundenen Fahrgeldeinnahmen.
Der NWL prüft aktuell alle möglichen Handlungsoptionen inklusive einer eigenen Übernahme der Eurobahn. Im nächsten Schritt werden die politischen Entscheider der beteiligten Gebietskörperschaften und der Mitgliedszweckverbände über sinnvolle Maßnahmen beraten. Ein Beschluss der Verbandsversammlungen des NWL könnte in der 2. Jahreshälfte 2024 gefasst werden.
Quelle: NWL