ÖPNV der Zukunft fährt autonom – Hamburg und die Branche stehen bereit

Auf der VDV-Jahrestagung in Hamburg setzt die Branche ein klares Signal: Der öffentliche Verkehr auf der Straße steht vor dem nächsten großen Schritt der Transformation – dem autonomen Fahren. VDV-Präsident Ingo Wortmann: „Autonomes Fahren für derzeit 48 Millionen Pkw löst unsere Verkehrs- und Flächenproblem nicht – nur der ÖPNV kann mit seinem Bündelungseffekt tragfähige Zukunftslösungen herbeiführen. Die Branche steht dafür bereit. Deutschland muss zum Leitmarkt für autonomes Fahren im ÖPNV werden – und die Bundesregierung muss dieses Ziel, das sie sich im Koalitionsvertrag gesetzt hat, jetzt entschlossen umsetzen.“ Sowohl Branchenverband als auch Hochbahn legten entsprechende Positions- und Umsetzungspapiere vor.

Gastgeberin des vom 17. bis 19. Juni stattfindenden Branchentreffs ist die Hamburger Hochbahn AG. Als einer der größten deutschen Mobilitätskongresse zieht die Veranstaltung über 800 Teilnehmende aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Branche an. 2025 mit einem Novum: Die Tagung findet gleichzeitig zum UITP-Summit des ÖPNV-Weltverbandes statt. Unter dem Leitthema: „Transformation braucht Verlässlichkeit – Der Mobilität in Deutschland eine Richtung geben“ tagt die Branche dieses Jahr in der Hansestadt. Im Fokus stehen die Zukunft der Mobilität, Digitalisierung, Effizienzerhöhung, innovative Lösungen und weitere zentrale Themen.

Neben Hamburg gibt es bundesweit weitere Pilotprojekte zum autonomen Fahren, wie etwa das Projekt Kira im Rhein-Main Verkehrsverbund (RMV). Dort werden aktuell erstmals autonome Level 4-Fahrzeuge für den Einsatz im ÖPNV getestet. Doch bislang fehlt eine bundesweit koordinierte, langfristig finanzierte Strategie und ein durch öffentliche Mittel unterstützter Markthochlauf, um den Leitmarkt im Land zu etablieren. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es: „Wir machen Deutschland zum Leitmarkt für autonomes Fahren und werden mit den Ländern Modellregionen entwickeln und mitfinanzieren.“ Der VDV stellt dafür erstmals konkrete Zahlen für ein Finanzierungskonzept vor.

Ingo Wortmann: „Wir wollen uns auf ein bundesweites Projekt konzentrieren. Wir brauchen keine Fördervielfalt, sondern eine gemeinsame Kraftanstrengung der Branche mit Unterstützung der Politik. Dafür benötigen wir zunächst eine Milliarde Euro als Anschubfinanzierung, um die Mehrkosten der Projektphase aufzufangen. Das umfasst Leasingraten für die neuen Fahrzeuge, die Finanzierung von Projektpersonal, den Aufbau der Ladeinfrastruktur und Investitionen in Forschung und Entwicklung. Hinzu kommen im weiteren Verlauf zwei Milliarden Euro, die wir für den realen Linien- und Linienbedarfs-Betrieb benötigen: für die Integration in gemischte Flotten, den Ausbau von Betriebshöfen und die Einrichtung von Leitstellen. Mit dieser Anschubfinanzierung von drei Milliarden Euro kann die Transformation vom Pilotprojekt zum Regelbetrieb gelingen.“

Robert Henrich, Vorstandsvorsitzender der Hamburger Hochbahn AG, betonte: „Es zeichnet sich klar ab, dass autonomes Fahren große Chancen für den ÖPNV der Zukunft bietet. Im Alike-Projekt, das wir gemeinsam mit Volkswagen, Moia, Holon und weiteren Partnern vorantreiben, werden wir wichtige erste Erkenntnisse gewinnen. Aber dabei bleiben wir nicht stehen: die Hochbahn hat eine Zukunftsbild entworfen, wie das fahrerlose Fahren optimal eingesetzt werden kann, um Angebotsqualität und Fahrgastzahlen des ÖPNV weiter zu steigern. Mit diesem Zukunftsbild unterstreichen wir die Rolle Hamburgs als Modellregion Mobilität – und setzen einen Impuls für die ÖPNV-Branche, indem wir es als Whitepaper publizieren. Zudem gehen wir den nächsten Schritt in Richtung einer praktischen Umsetzung und werden in den kommenden Jahren „RoboShuttles“ und „Robomidibusse“ im öffentlichen Linienbetrieb erproben. Denn wir sind überzeugt: Gerade im Linienverkehr kann fahrerloses Fahren perspektivisch einen großen Beitrag zur Mobilitätswende leisten.“

On-Demand-Verkehre: Brückentechnologie für das autonome Fahren

Der ÖPNV ist bereit für das autonome Fahren. Die Politik hat mit weitsichtigen Vorentscheidungen zum On-Bedarf-Betrieb und für das Autonome Fahren die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, so der Branchenverband. Politik und Verwaltung müssen nun die Voraussetzungen für Skalierung, Standardisierung und sichere Inbetriebnahme schaffen – und den angekündigten Leitmarkt Realität werden lassen. „Die On-Demand-Verkehre von heute sind nicht nur ein Element der Mobilitätswende, sondern vor allem eine Brückentechnologie für den Hochlauf des autonomen Fahrens im ÖPNV“, betont VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. Fast die Hälfte der Angebote ist bereits tariflich integriert, doch viele Projekte stehen mangels Mitteln vor dem Aus. Der VDV fordert daher ein bundesweites „Deutschland-Angebot“, mit verbindlichen Standards, Mitfinanzierung durch den Bund und Anreizmodellen der Länder. Ziel ist es, 15 Millionen Menschen mit täglich bis zu 6.000 zusätzlichen Fahrplanstunden zu versorgen.

Print Friendly, PDF & Email

Comments are closed.