Starker Nahverkehr für ein starkes Thüringen: Was jetzt getan werden muss

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hat mit seinem neuen bundesweiten Leistungskostengutachten einen realistischen Transformationsfahrplan für den ÖPNV bis 2040 vorgelegt – auch für Thüringen. Das Gutachten zeigt: Ohne gezielte Investitionen ist selbst die Qualität des heutigen Angebots kaum zu halten. Mit zusätzlichen Mitteln lassen sich hingegen in ganz Thüringen Versorgungslücken schließen, Angebotsstandards anheben und damit Lebensqualität und Standortattraktivität sichern.

In Thüringen wurden im ÖPNV im Jahr 2024 rund 97 Millionen Nutzfahrzeug- beziehungsweise Nutzzugkilometer erbracht. Der Busverkehr dominiert mit 71 Prozent der Betriebsleistung, deutlich vor Schiene (20 Prozent) und Tram (9 Prozent). Gleichzeitig liegt die Kostendeckung durch Fahrgeldeinnahmen bei nur 24 Prozent – deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 33 Prozent. Das macht den öffentlichen Verkehr im Freistaat Thüringen besonders abhängig von öffentlicher Finanzierung.

„Der ÖPNV ist keine freiwillige Leistung – er ist Teil öffentlicher Daseinsvorsorge und damit Grundvoraussetzung für Mobilität, Teilhabe und wirtschaftliche Entwicklung“, so Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des VDV. „Gerade in einem Flächenland wie Thüringen ist es deshalb entscheidend, dass die Politik sich zu einem starken, leistungsfähigen ÖPNV bekennt und die öffentlichen Finanzmittel entsprechend steigen – nicht nur, um die Qualität zu halten, sondern um ein gutes ÖPNV-Angebot für alle Regionen zu gewährleisten.“

Zwei Szenarien, zwei Wege: Modernisierung oder Ausbau

Im Rahmen des vom VDV beauftragen Leistungskostengutachtens haben die Berater mehrere Szenarien der ÖPNV-Entwicklung bis 2040 detailliert untersucht, sowohl bundesweit als auch für alle 16 Bundesländer individuell. Die Ergebnisse für Thüringen sind wie folgt:

Szenario Modernisierung 2040: Bestehendes System zukunftsfest machen
Im Basisszenario wird der ÖPNV in Thüringen technisch und strukturell erneuert:

– Der Sanierungsstau wird abgebaut,
– die Stadtbahnnetze in Erfurt, Jena und Gera werden ausgebaut,
– Fahrzeuge und Infrastruktur werden modernisiert,
– Ladeinfrastruktur wird neu aufgebaut und die Betriebshöfe werden erneuert,
– Prozesse werden digitalisiert und automatisiert.

Das Angebot bleibt weitgehend stabil, aber die Qualität steigt. Aufgrund des demografischen Rückgangs, mit einem prognostizierten Rückgang der Bevölkerung um 12,5 Prozent, sinkt die Nachfrage leicht (minus fünf Prozent). Trotzdem wächst der Finanzierungsbedarf bis 2040 von heute 0,6 Milliarden Euro auf 1,12 Milliarden Euro – fast doppelt so viel wie im Jahr 2024. Schon rein inflationsbedingt würde der jährliche Finanzierungsbedarf des ÖPNV in Thüringen bis 2040 auf 0,8 Milliarden Euro pro Jahr steigen.

Szenario Deutschlandangebot 2040: Flächendeckende Mobilität schaffen
Im Ausbau-Szenario wird das ÖPNV-Angebot landesweit zusätzlich deutlich erweitert:

– Verdichtung des Busverkehrs mit Mindestbedienstandards,
– On-Demand-Angebote in ländlichen Räumen,
– Realisierung des Zielfahrplans des Deutschlandtakts,
– Kapazitätsausbau im SPNV auf der Mitte-Deutschland-Verbindung und Ausbau der SPNV-Knoten Erfurt und Gera.

Das Ergebnis: 47 Prozent mehr Sitzplatzkilometer und 26 Prozent mehr Personenkilometer bis 2040. Die Angebotsqualität verbessert sich im thüringischen ÖPNV von der Schulnote 4,0 auf die Note 2,8. Dies erfordert einen Zuwachs der Finanzmittel um jährlich um circa 70 Millionen Euro auf rund 1,7 Milliarden Euro im Jahr 2040.

Besonders hoch ist der Finanzierungsbedarf für den Ausbau der Busverkehre – mit einem Anstieg um 300 Prozent. Die flächendeckenden Verbesserungen ermöglichen jedoch deutlich mehr Mobilität in ganz Thüringen – gerade für strukturschwächere Kreise.

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