Für das Fahrpersonal im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gelten Arbeitsbedingungen, die so unattraktiv sind wie in kaum einer anderen Branche – mit negativen Folgen wie Personalmangel, Ausfällen, hoher Fluktuation. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der Klima-Allianz-Deutschland, die erstmals systematisch die tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen von rund 128.000 Tarifbeschäftigten im Fahrdienst analysiert – aber auch Lösungen aufzeigt und durchrechnet.
Überlange und geteilte Schichten, unbezahlte Pausen, häufig wechselnde Arbeitszeiten und Dienstorte sind ein entscheidender Faktor beim Branchenthema Fahrermangel. So summieren sich allein die im Dienstplan festgelegten Pausenzeiten jenseits der gesetzlichen Pflichtdauer jedes Jahr auf zweieinhalb Wochen unbezahlte Arbeit, wie die von KCW Consultants erstellte Studie beschreibt.
Christine Behle, stellvertretende ver.di-Vorsitzende: „Gute Arbeitsbedingungen für Fahrerinnen und Fahrer sind unverzichtbar, um Personalengpässe zu überwinden, Krankenstände zu senken und die Attraktivität des Berufs zu sichern. Die neue Studie liefert Vorschläge, wie spürbare Verbesserungen zu erreichen sind – und den Beleg, dass die Mehrkosten dafür bezahlbar sind. Wir brauchen eine nachhaltige Finanzierungsstruktur für den öffentlichen Personennahverkehr in Deutschland, um Mobilität für alle zu sichern.“
Stefanie Langkamp, Geschäftsleitung Politik bei der Klima-Allianz Deutschland: “Busse und Bahnen gehören für Millionen Menschen zum Alltag – doch sie fahren nur, wenn die Menschen am Steuer gute Arbeitsbedingungen haben. Mit gerade einmal sieben Prozent zusätzlichen Mitteln könnte die Politik die Zuverlässigkeit und Qualität des ÖPNV spürbar erhöhen. Faire Arbeitsbedingungen, weniger Ausfälle, mehr Vertrauen: Ein verlässlicher, sicherer und attraktiver ÖPNV ist möglich – und er beginnt bei fairen Arbeitsbedingungen für das Fahrpersonal. Gute Arbeit ist der schnellste Hebel für gute Mobilität und echten Klimaschutz.“
Die Studie berechnet konkret, welche Mittel notwendig wären, um ein zukunftsfähiges ÖPNV-Angebot mit besseren Arbeitsbedingungen und mehr Personal aufzubauen, und präsentiert Vorschläge, wie die Beschäftigten entlastet werden können: Maßnahmen wie eine Begrenzung unbezahlter Pausen, Schichtbeginn und -ende am selben Ort, ausreichende Ruhezeiten oder eine verkürzte Arbeitswoche verbessern die Attraktivität des Berufs. Mit dadurch sinkenden Krankenständen könnten Kosten von bis zu 300 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich eingespart werden. Insgesamt erfordern die vorgeschlagenen Verbesserungen rund sieben Prozent zusätzliche Mittel im Verhältnis zum heutigen ÖPNV-Gesamtbudget: Das entspricht in absoluten Zahlen 1,76 Milliarden Euro bei Gesamtausgaben von fast 24 Milliarden Euro pro Jahr.
ver.di und Klima-Allianz Deutschland fordern die Politik auf, die Finanzierung des ÖPNV so auszugestalten, dass faire Arbeitsbedingungen und Dienstplanungen gewährleistet werden können. Maßnahmen wie ein gerechter Pausenabzug oder die Abschaffung geteilter Dienste verursachen nur geringe Mehrkosten, verbessern aber die Personalsituation erheblich, erhalten die Gesundheit der Beschäftigten und sichern so die Qualität des ÖPNV-Angebots langfristig ab. Dies ist umso dringlicher, als bis zum Jahr 2035 rund 70 Prozent des jetzigen Fahrpersonals das Rentenalter erreichen oder den Beruf aus anderen Gründen verlassen wird.
Ein wichtiger erster Schritt wäre ein ÖPNV-Gipfel, der Politik, Branche und Zivilgesellschaft an einen Tisch bringt.









