mofair-Präsident Martin Becker-Rethmann (Quelle: mofair).

BMV vergibt Chance: Keine Nutzer der Schiene im neuen InfraGO-Aufsichtsrat

Die Koalitionsparteien hatten im Koalitionsvertrag angekündigt, die vermeintlich „gemeinwohlorientierte“ Schieneninfrastrukturgesellschaft stärker steuern zu wollen und die Entflechtung zwischen den Monopol- und den Wettbewerbsbereichen entschiedener voranzutreiben. Auch die lang erwartete „Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene“ versprach eine neue Ernsthaftigkeit. Branchenverbände hatten darüber hinaus gefordert, dass im Aufsichtsrat der InfraGO einige Mandate für Nutzer des Netzes reserviert werden müssten.

Der Interessensverband mofair e.V. kritisiert nun: Es bleibe beim Anspruch – konkretes Handeln folge daraus nicht. Bundesverkehrsminister Schnieder konnte sich laut mofair erneut nicht durchsetzen. Nicht nur, dass der Aufsichtsratsvorsitz bei der InfraGO nahtlos vom früheren DB-Infrastrukturvorstand Berthold Huber auf die neue Vorstandsvorsitzende Evelyn Palla übergeht – von weitergehender Entflechtung also keine Spur. Mit der Benennung der neuen Aufsichtsratsmitglieder werde auch klar, dass die Nutzer des Netzes, also diejenigen, die kompetent auf Fehlentwicklungen hinweisen können, erneut leer ausgehen.

„Der Bund spricht von mehr Einfluss, fordert ihn aber nicht ein. Wer die InfraGO wirklich verändern will, muss die Menschen an den Tisch holen, die jeden Tag erleben, wo sie scheitert – Stellwerke ohne Personal, chaotische Baustellen, zu wenig Kapazität. Nutzer auszuschließen heißt: Man will die Wahrheit über die Lage der Infrastruktur gar nicht hören.“

Henrik Würdemann, Vorstandsvorsitzender der GÜTERBAHNEN

„Wir kommen derzeit aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. Die jahrzehntelang unter Verantwortung, aber mindestens Duldung der DB auf Verschleiß gefahrene Schieneninfrastruktur Deutschlands wieder auf Vordermann zu bringen, ist eine Generationenaufgabe. Die Bundespolitik wollte die InfraGO daher stärker steuern. Sie fasst aber das Lenkrad, nämlich den Aufsichtsrat der InfraGO, nur mit spitzen Fingern an. Dagegen sind alle möglichen Strategien wie der seit langem angekündigte InfraPlan oder die ebenfalls längst überfällige LV InfraGO Schall und Rauch. So droht Bahnpolitik zur Farce zu werden.“

Martin Becker-Rethmann, mofair-Präsident

Ein strukturelles Problem – politisch selbst geschaffen

Formal zuständig für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der DB InfraGO ist deren Hauptversammlung. Diese wiederum besteht aus der alleinigen Anteilseignerin Deutsche Bahn AG, also deren Vorstandsvorsitzenden Evelyn Palla. Allein schon daraus wird laut mofair ersichtlich, wie absurd ein Festhalten am integrierten Konzern DB AG mit dem Monopolbereich der Infrastruktur eigentlich ist: Will der Bund mehr steuern, trete er gegenüber seinem eigenen Unternehmen als Bittsteller auf. Dies umso mehr, als sich in der Frage des Aufsichtsratsvorsitzes Evelyn Palla auf die Arbeitnehmervertreter als Anhänger des integrierten Konzerns wohl sicher verlassen könne. Neben ihr gibt es eine weitere Vertreterin des DB-Konzerns.

In der vergangenen Woche hat die Hauptversammlung formal getagt und neben den Genannten des Weiteren auf der Anteilseignerseite drei Vertreter des Bundestages benannt: Michael Donth (neu, CDU), Anja Troff-Schaffarzyk (weiterhin, SPD) und Florian Oßner (neu, CSU). Das BMF behält einen Sitz, und das BMV entsendet einen Referatsleiter aus dem eigenen Haus sowie mit dem ehemaligen parlamentarischen Staatssekretär und Bahnbeauftragten Enak Ferlemann sowie Birgit Milius, Professorin für Bahnbetrieb und Infrastruktur der TU Berlin, zwei unbestrittene Fachleute. Hinzutreten soll noch ein Vertreter der Bundesländer, der oder die noch benannt werden soll. Was laut mofair fehle, sei das Entscheidende: Stimmen der Zugangsberechtigten – also der Eisenbahnverkehrsunternehmen im Fern-, Nah- und Güterverkehr sowie der Aufgabenträger.

Konsequenzen für die InfraGO – und für die Schiene

Ohne die Perspektive der tatsächlichen Nutzer bleibe es bei Selbstbeschwichtigung und Präsentationen in der bekannten Hochglanzoptik des Konzerns. Die realen Probleme – unbesetzte Stellwerke, schlechte Baustellenkoordination, mangelhafte Kundenorientierung – würden so auch künftig nicht strukturell angegangen. Politisch bleibe die Steuerung der InfraGO laut mofair damit ein Anspruch ohne Hebel.

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