Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Diese Redewendung, die häufig fälschlicherweise mit negativen Erwartungen verbunden wird, erhält beim ITS-Weltkongress seine ursprüngliche und urpositive Bedeutung zurück: Schon jetzt sind die Anzeichen für den Weltkongress für Intelligente Transportsysteme deutlich spürbar. Das gilt für die Branche, das gilt für Hamburg und das gilt für die HOCHBAHN.
Als im Jahr 2016 die Bewerbung startete, gab es zwar schon eine Vielzahl von Ideen und Vorstellungen, aber konkrete Projekte und Vorhaben, die die Neugier der Welt wecken könnten, waren da – vorsichtig ausgedrückt – noch rar gesät.
Das hat sich drastisch gewandelt. Die Unterstützung, die wir schon in der Bewerbungsphase erlebt haben, hat sich ungebremst fortgesetzt. Zahlreiche Unternehmen haben Hamburg in ihren Fokus genommen, um gemeinsam mit allen Verkehrsunternehmen hier etwas Großartiges auf die Beine zu stellen.
Die HOCHBAHN hat von der Stadt den Auftrag erhalten, das Projekt Management Office aufzubauen und alle ITS-Projekte zu koordinieren. Wir werden uns dabei selbst schwerpunktmäßig mit drei Schlüsselprojekten einbringen: die Weiterentwicklung der Hamburger Mobilitätsplattform switchh, die Umsetzung des Smartphone-basierten Bezahlsystems Check-in/Be-out für den gesamten HVV und das von einem Konsortium getragene Forschungs- und Entwicklungsprojekt zum automatisierten Fahren im ÖPNV.
Alle Projekte sind auf das Ziel ausgerichtet, den Trend weg von der Nutzung privater Pkw in den Innenstädten zu stärken – möglichst ohne ordnungspolitische Eingriffe, sondern einfach durch Angebote, die überzeugen und den privaten Pkw nutzlos erscheinen lassen. Das Rückgrat der Mobilität wird der ÖPNV bleiben, er allein wird aber nicht ausreichen, um eine Verkehrswende einzuleiten, die ihren Namen auch verdient. Dafür sind die Präferenzen der Mobilitätsteilnehmer zu divers. Angebote wie MOIA, die mit ihrem „Ridepooling“ eine Lücke zwischen dem „Platzkomfort“ eines privaten Pkw und dem ÖPNV bedienen, sind in dieser Sicht absolut willkommen wie auch die unterschiedlichen Sharing-Modelle. Alle diese Angebote leicht und komfortabel nutzbar zu machen, ist die Vision von switchh: eine App, die alle Mobilitätsangebote und -informationen, Buchung, Reservierung und Abrechnung zusammenfasst, sodass dem Mobilitätsteilnehmer immer die für ihn passende Alternative zum privaten Pkw anbietet – einfach und bequem.
Aber auch in einem Kernaspekt des ÖPNV, dem Ticketing, wollen wir neue, für den Kunden einfache und bequeme Wege gehen. Kein Kunde will sich mit Tarifen und Tickets auseinandersetzen. Hier setzt unser Projekt an, das wir mit dem HVV für den Gesamtverbund entwickeln: Check-in/Be-Out basiert auf der Bluetooth-Technologie und ermöglicht dem Kunden zu Fahrtbeginn das Einchecken per Smartphone. Beim Aussteigen loggt sich das System eigenständig aus und am Ende des Tages erfolgt die automatische Abrechnung mit Bestpreisgarantie. Einfacher und bequemer geht es nicht.
Noch einen Schritt weiter gehen wir mit dem Forschungs- und Entwicklungsprojekt HEAT, mit dem wir mit unseren städtischen Partnern und einem Konsortium aus IAV, Siemens, IKEM, DLR und anderen den Nachweis erbringen wollen, dass autonom fahrende, elektrisch betriebene Shuttle im ÖPNV eingesetzt werden können. Mit diesem ambitionierten Projekt haben wir als federführendes Unternehmen die großartige Chance, viel über die technischen Möglichkeiten und Grenzen zu lernen. Die ganze Welt redet vom autonomen Fahren – wir sind direkt dabei. Auch um abschätzen zu können, was diese technische Entwicklung für unser Kerngeschäft bedeutet. Denn die Perspektive, wirtschaftliche Lösungen für die letzte Meile zwischen den ÖPNV-Angeboten und den Kunden zu erschließen, kann die Pkw-Nutzung deutlich „überflüssiger“ machen, aber auch gravierende Auswirkungen auf unser Geschäft haben.
Mit allen Projekten betreten wir Neuland, vergleichbare Projekte sind rar. Selbstverständlich sind diese Projekte keine Selbstläufer. Immer wieder treffen die Projektverantwortlichen auf Hürden, die es zu überwinden gilt. Erfolgserlebnisse wechseln sich mit Rückschlägen ab. Auch hier hilft der ITS-Weltkongress, selbst wenn er erst in zweieinhalb Jahren seine Tore in der Hansestadt öffnet. Es ist in Hamburg ein unverzichtbarer positiver Spirit entstanden, Mobilität neu zu definieren. Dieses spiegelt sich aber nicht nur bei den aufgezählten Projekten wieder, sondern auch in dem klaren Bekenntnis der Politik, unsere Kernleistungen im klassischen ÖPNV massiv auszubauen. Beide Stränge sind unverzichtbar, wenn es eine wirkliche Alternative zur privaten Pkw-Nutzung geben soll.
Autor: Henrik Falk, CEO, Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN)