Bürgernähe und Beteiligung der Fahrgäste fordert der Fahrgastverband Pro Bahn von einem neuen Gesetz über den öffentlichen Verkehr in Nordrhein-Westfalen. Der Fahrgastverband ist mit dem ersten Entwurf des Gesetzes, das von Verkehrsminister Oliver Krischer den Verbänden zur Stellungnahme vorgelegt wurde, sehr unzufrieden.
„Nur einen minimalistischen Entwurf zur Gründung des geplanten, landesweiten Aufgabenträgers Schiene.NRW, ohne groß reale Probleme im ÖPNV anzugehen“, so kritisieren Lothar Ebbers, Rainer Engel und Dr. Thomas Probol die geplante Novelle des ÖPNV-Gesetzes. „Die hohe Kompetenz, die die bisherigen Aufgabenträger für den Schienennahverkehr gewonnen haben, wird für das Land nur unzureichend genutzt.“
Das Land Nordrhein-Westfalen will die Organisation des Schienenpersonenverkehrs im Land effizienter und schlagkräftiger machen. Gegenwärtig wird diese Aufgabe von Zweckverbänden für das Rheinland, Rhein-Ruhr und Westfalen-Lippe getrennt wahrgenommen. „Auch bei einer landesweiten Organisation des Schienenverkehrs darf die Bürgernähe nicht verloren gehen“, erklärt Rainer Engel, stellvertretender Vorsitzender des Fahrgastverbandes. „Wir zeigen auf, wie mehr Bürgernähe möglich ist, ohne dass die von der Landesregierung erwünschten Vorteile verloren gehen. Wir wollen nicht zurück in die Zeiten einer ortsfernen Bundesbahn, gegen die die Bürger mit den Füßen abgestimmt hatten und ins Auto umgestiegen waren. Über einzelne Bahnhöfe und Bahnstrecken in der Eifel und Ostwestfalen muss man zuerst vor Ort diskutieren. Wir befürchten aber, dass mit dem neuen Gesetz darüber in Hochhäusern zwischen Ruhr und Emscher entschieden wird. Schon jetzt sind die bisherigen Aufgabenträger zu ortsfern und fahrgastfern“.
Nachdem in Nordrhein-Westfalen die Organisation der Eisenbahnzüge in die Hand von kommunalen Zweckverbänden gelegt wurde, hat der Schienenverkehr einen enormen Aufschwung erlebt. „Diesen Aufschwung darf man nicht wieder verspielen“, erklärt der stellvertretende Vorsitzende Probol: „Obwohl digitale Information gut informieren könnte, stehen Fahrgäste bei vielen Baustellen und Zugausfällen immer wieder ratlos auf dem Bahnsteig. Bessere Information muss eine zentrale Organisation wie die geplante Schiene.NRW in die Hand nehmen und braucht dafür einen klaren Auftrag des Gesetzgebers. Mit einer hochqualitativen Digitalisierung bei Fahrgastauskunft und Anschlusssicherung kann der Fahrgast einfacher und schneller nach guten Alternativen suchen.“ Die beiden Vertreter von Verbraucherinteressen sind sich einig: „Die Gesetzesnovelle benötigt dringend die Vorgabe regional verorterter Fachgremien und die Empfehlung einer hochqualitativen Digitalisierung.“
Ebbers verweist besonders darauf, dass das Mitdenken und Mitreden von Fahrgast-Institutionen in allen Gremien den öffentlichen Verkehr sehr stark verbessern kann. „In den Niederlanden gibt es die aktive Mitarbeit von Verbraucherverbänden, und dort zeigt die Erfahrung, dass die Hälfte aller Verbesserungsvorschläge angenommen und auch tatsächlich umgesetzt wird“, weiß Ebbers. „Wenn die Landesregierung wirklich etwas verändern möchte, dann ist jetzt die Zeit, das neue Gesetz auf Bürgernähe auszurichten und engagierten Bürgern über ihre Verbände die Möglichkeit zur Mitgestaltung zu geben.“
„Schienenkompetenz für NRW“, treibt Engel und Probol um: „Rhein-Ruhr-Express, Regionalzüge und S-Bahnen müssen sich mit Fernzügen und Güterzügen die gleichen Schienen teilen. Bei Infrastrukturmaßnahmen muss man Fernverkehr, Nahverkehr und Güterverkehr gemeinsam denken. Das vorliegende Gesetz wirkt wie ein Maulkorb, wenn man bei der neuen Schiene.NRW nur über Nahverkehr nachdenken darf. Die Entwicklung des Standorts Nordrhein-Westfalen braucht alle Verkehrsarten auf der Schiene. Die einzige Institution mit nötiger Fachkunde wird Schiene.NRW sein, um auf allen Feldern mitzureden und gegenüber dem Bund als Eigentümer der Schienen durchzusetzen, und dafür braucht Schiene.NRW einen Auftrag, das ist aktive Strukturförderung.“
Ebbers kritisiert auch die Regelungen über die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs. „Alle Förderpauschalen sollten alle drei Jahre per Gesetz geprüft werden, um das Verkehrsangebot mindestens aufrechtzuerhalten, besser noch auszubauen“, ergänzt Ebbers. „Ebenfalls sollte das Sozialticket ins neue Gesetz aufgenommen werden, wobei der soziale Anteil zukünftig z. B. aus dem Sozialtopf kommen muss, nicht mehr aus ÖPNV-Mitteln.“
Abschließend bekräftigen Ebbers, Engel und Probol noch einmal: „Den angekündigten großen Wurf hat Herr Verkehrsminister Krischer verpasst. Aber er kann bis zum Einbringen des Gesetzes in den Landtag deutlich nachbessern.“