Die Verkehrswende braucht Rückenwind – keine Gegenwinde. Erst recht keine finanziellen. Doch genau die drohen dem SPNV im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und anderswo, wenn die Trassenpreise weiter steigen. Was für viele nach einem technischen Detail klingt, ist faktisch aber ein zentraler Hebel für die Zukunft des Nahverkehrs.
Ein Kommentar von Oliver Wittke, Vorstandssprecher des VRR.
Die aktuelle Deckelung der Trassenpreise steht im Rahmen eines Vorlageverfahrens des Verwaltungsgerichts Köln vor dem Europäischen Gerichtshof auf dem Prüfstand. Wird sie aufgehoben, könnte das massive Preissteigerungen zur Folge haben: DB InfraGO als Eisenbahninfrastrukturbetreiber hat bereits eine Erhöhung der Trassenpreise um 23,5 Prozent im Falle der Rechtswidrigkeit der Trassenpreisbremse ab 2026 beantragt. Das ist kein kleiner Schritt, sondern ein massiver Einschnitt: 2024 mussten allein im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr 370 Millionen Euro von insgesamt 772 Millionen Euro zur Begleichung von Trassenkosten weitergeleitet werden.
Die Auswirkungen einer so enormen Erhöhung der Trassenpreise wären gravierend und würden die dringend benötigte Verkehrswende massiv gefährden, weil die SPNV-Aufgabenträger deutlich höhere Infrastrukturkosten schultern müssten, ohne eine Garantie auf zusätzliche finanzielle Bundesmittel. Würde die hierdurch entstehende Finanzierungslücke nicht geschlossen, droht unweigerlich die Abbestellung von SPNV-Leistungen. Und das in einer Zeit, in der zusätzliche Verkehre vom Auto auf den ÖPNV verlagert werden müssten, um die anspruchsvollen nationalen und internationalen Klimaschutzziele zu erreichen. Angebotsausweitungen, Taktverdichtungen und Reaktivierungen wären unter diesen Umständen kaum noch realistisch.
Die im Haushaltsjahr 2025 praktizierte Erhöhung des Eigenkapitals bei DB InfraGO mag aus Bundeshaushaltsperspektive zwar sinnvoll gewesen sein, sie ist aber nicht nachhaltig. Sie erhöht den Renditedruck und damit die Trassenpreise, denn die Zinslast auf das Eigenkapital wird über die Trassenpreise gegenfinanziert. Die von der Bundesregierung geplante gesetzliche Senkung des Eigenkapitalzinssatzes für die DB von 5,2 auf 2,2 Prozent ab 2026 ist vor diesem Hintergrund zwar ein positives Signal – ersetzt aber keine strukturelle Reform.
Mit Reformen die Zukunft des SPNV sichern
Um die Zukunft des Schienenpersonennahverkehrs zu sichern und die Verkehrswende nicht zu gefährden, sind gezielte politische Maßnahmen erforderlich. Die bisherige Preisbildung nach dem Vollkostenprinzip führt zu hohen Belastungen für die Aufgabenträger und hemmt die Angebotsentwicklung. Stattdessen sollte ein Grenzkostenmodell eingeführt werden, das sich auf die tatsächlich durch den Fahrbetrieb verursachten Kosten beschränkt. Ein solches Modell wäre nicht nur wirtschaftlich tragfähig und wettbewerbsförderlich, sondern auch mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar.
Sollte die bestehende Trassenpreisbremse infolge der EuGH-Entscheidung und der anstehenden Bewertung durch die Bundesnetzagentur entfallen, muss der Bund kurzfristig kompensatorische Mittel bereitstellen, um Angebotskürzungen zu vermeiden. Darüber hinaus sollte zukünftig auf weitere Eigenkapitalerhöhungen bei DB InfraGO verzichtet werden, da diese den Renditedruck erhöhen und über die Trassenpreise an die Schienennutzer weitergegeben werden. Stattdessen sind direkte, beihilferechtskonforme Zuschüsse des Bundes als Eigentümer der Infrastruktur das geeignetere Instrument.
Ein weiterer zentraler Punkt ist die Wiederherstellung der Planungssicherheit. Die Trassenpreise müssen künftig wieder frühzeitig durch die Bundesnetzagentur genehmigt werden, damit die Angebote und Verkehrsverträge für die folgenden Jahre belastbar kalkuliert werden können. Schließlich würde eine gezielte Trassenpreisförderungen für den SPNV – analog zum Schienengüterverkehr – die klimafreundliche Schiene weiter stärken und den Umstieg vom Auto auf den ÖPNV attraktiver zu machen.









